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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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der sanfteste alte Kerl, der je den Fuß auf ein Dampfboot gesetzt hatte, und einer der unterwürfigsten dazu. Marsh rief: »Ich komme«, und zündete eine Lampe neben seinem Bett an, eher er aufstand, um die Tür zu öffnen.
    Zwei Männer standen draußen. Toby war etwa sechzig, kahl bis auf einen Kranz eisengrauer Haare um seinen schwarzen Schädel, sein Gesicht verwittert und faltig und schwarz wie ein Paar alter, bequemer Stiefel. In seiner Begleitung befand sich ein junger Neger, ein kleiner, untersetzter braunhäutiger Mann in einem teuren Anzug. Im spärlichen Licht dauerte es einige Augenblicke, bis Marsh ihn als Jebediah Freeman erkannte, den Friseur, den er in Louisville angeheuert hatte. »Cap’n«, sagte Toby, »wir möchten mit Ihnen reden, privat, wenn es geht.«
    Marsh winkte sie herein. »Was soll das, Toby?« fragte er, während er die Tür schloß.
    »Wir sind sozusagen als Sprecher losgeschickt worden«, erklärte der Koch. »Sie kennen mich ja schon lange, Cap’n, und Sie wissen, daß ich Sie niemals anlügen würde.«
    »Natürlich weiß ich das«, entgegnete Marsh.
    »Ich würde auch niemals weglaufen. Sie haben mir die Freiheit und alles geschenkt, nur weil ich für Sie gekocht habe. Aber ein paar von den anderen Niggern, die Heizer und Handlanger, die wollen nicht auf Jeb und mich hören, wenn wir erzählen, was für ein feiner Mann Sie sind. Die haben Angst, und die wollen weglaufen. Der Junge beim Abendessen heute, er hat gehört, wie Sie und Cap’n York darüber gesprochen haben, nach Cypress Landing zu fahren, und jetzt reden die Nigger über nichts anderes.«
    »Wie bitte?« fragte Marsh. »Ihr wart doch noch nie dort unten, keiner von euch. Was bedeutet Cypress Landing für euch?«
    »Überhaupt nichts«, ergriff Jeb das Wort. »Aber ein paar von den anderen Niggern haben davon gehört. Es gibt Geschichten über diesen Ort, Cap’n. Schlimme Geschichten. Alle Nigger sind von dort weggelaufen, wegen der Dinge, die passierten. Schreckliche Dinge, Cap’n, einfach schrecklich.«
    »Wir sind gekommen, um Sie zu bitten, nicht dorthin zu fahren, Cap’n«, sagte Toby. »Sie wissen selbst, daß ich Sie noch nie um etwas gebeten habe.«
    »Kein Koch und kein Friseur werden mir vorschreiben, wohin ich mit meinem Dampfschiff fahren soll«, erklärte Abner Marsh ernst. Aber dann sah er in Tobys Gesicht, und seine Stimme bekam einen versöhnlichen Klang. »Es wird nichts geschehen«, versprach er, »aber wenn ihr beide hier in New Orleans warten wollt, dann tut das ruhig. Auf einer so kurzen Fahrt brauchen wir keinen Koch und keinen Friseur.«
    Toby strahlte ihn dankbar an, sagte aber dann: »Die Heizer allerdings . . . « »Die brauche ich.«
    »Sie wollen nicht auf dem Schiff bleiben, Cap’n, glauben Sie mir.« »Ich schätze, Hairy Mike wird dazu auch noch ein paar Worte zu sagen haben.«
    Jeb schüttelte den Kopf. »Die Nigger haben vor Hairy Mike sicher viel Angst, aber noch mehr Angst haben sie vor dem Ort, zu dem Sie hinfahren wollen. Sie werden von Bord verschwinden, das ist gewiß.«
    Marsh fluchte. »Verdammte Narren«, sagte er. »Nun, ohne Heizer bekommen wir nicht genug Dampf. Aber es war Joshua, der den Abstecher machen wollte, nicht ich. Gebt mir ein paar Minuten, um mich anzuziehen, Jungs, und wir gehen zu Cap’n York und sprechen mit ihm darüber.«
    Die beiden Schwarzen wechselten vielsagende Blicke, schwiegen jedoch.
    Joshua York war nicht allein. Als Marsh sich der Kabinentür des Kapitäns näherte, hörte er von drinnen die Stimme seines Partners, laut und rhythmisch. Marsh zögerte, dann stöhnte er auf, als er begriff, daß Joshua ein Gedicht vorlas. Laut, ruhig. Er hämmerte mit seinem Stock gegen die Tür, und York unterbrach seine Lesung und forderte sie auf einzutreten.
    Joshua saß entspannt da, ein Buch auf dem Schoß, ein langer blasser Finger auf der Stelle, an der er unterbrochen worden war, ein Glas Wein auf dem Tisch neben sich. Valerie saß im anderen Sessel. Sie blickte zu Marsh hoch und wandte sich dann schnell ab; sie war ihm seit jener Nacht auf dem Texasdeck aus dem Weg gegangen, und Marsh fiel es leicht, sie zu ignorieren. »Heraus damit, Toby«, sagte er.
    Toby schien größere Schwierigkeiten zu haben, die richtigen Worte zu finden, als vorher bei Marsh, aber am Ende brachte er alles heraus. Danach stand er mit niedergeschlagenen Augen da und knetete mit den Händen seinen alten zerknitterten Hut.
    Joshua Yorks Augen funkelten verärgert. »Wovor

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