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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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haben die Männer Angst?« fragte er in höflichem, kaltem Ton. »Daß ihnen etwas zustößt, Sir.«
    »Bestell ihnen, daß ich sie beschützen werde.«
    Toby schüttelte den Kopf. »Cap’n York, ich will nicht unhöflich sein, aber die Nigger haben auch vor Ihnen Angst, vor allem jetzt, da Sie wollen, daß wir dorthin fahren.«
    »Sie glauben, Sie seien einer von denen «, warf Jeb ein. »Daß Sie und Ihre Freunde uns dorthin und zu den anderen locken wollen. In den Geschichten heißt es, daß die Leute dort unten bei Tag nicht herauskommen, und man sagt, daß es bei Ihnen genauso sei, Cap’n, genau wie bei denen. Natürlich wissen ich und Toby, daß es nicht so ist, aber die anderen glauben es.«
    »Dann bestellt ihnen, daß ich für die Zeit, die wir im Bayou sind, ihren Lohn verdoppele«, sagte Marsh. Toby blickte nicht auf, aber er schüttelte den Kopf. »Um Geld geht es ihnen nicht. Sie wollen weglaufen.«
    Abner Marsh fluchte. »Joshua, wenn weder Geld noch Hairy Mike sie umstimmen können, dann rühren sie keinen Finger. Wir müssen sie alle entlassen und neue Heizer und Handlanger und Schauerleute anheuern, aber das dauert seine Zeit.«
    Valerie beugte sich vor und legte eine Hand auf Joshua Yorks Arm. »Bitte, Joshua«, sagte sie leise. »Hör auf sie. Das ist ein Zeichen. Wir sollen diese Fahrt nicht machen. Bring uns zurück nach St. Louis. Du hast versprochen, mir St. Louis zu zeigen.«
    »Das werde ich auch«, erwiderte Joshua, »aber nicht bevor ich meine Aufgabe erledigt habe.« Er sah Toby und Jeb stirnrunzelnd an. »Ich könnte auch auf dem Landweg sehr leicht nach Cypress Landing gelangen«, sagte er. »Sicherlich wäre das der schnellste und einfachste Weg, um mein Ziel zu erreichen. Aber das würde mir nicht passen, meine Herren. Entweder komme ich mit meinem Dampfer dorthin, oder nicht. Entweder bin ich hier der Kapitän, oder ich bin es nicht. Ich dulde es nicht, daß meine Mannschaft mir mißtraut. Und ich will nicht, daß meine Männer sich vor mir fürchten.« Er ließ den Gedichtband vernehmlich auf den Tisch plumpsen und machte keinen Hehl aus seiner Verärgerung. »Habe ich je irgend etwas getan, das euch geschadet hat, Toby?« wollte Joshua wissen. »Habe ich einen von euch schlecht behandelt? Habe ich irgend etwas getan, daß ihr Grund habt, mir zu mißtrauen?«
    »Nein, Sir«, antwortete Toby leise.
    »Nein, sagst du. Und trotzdem wollen sie mich im Stich lassen?« »Ja, Sir. Ich fürchte, so ist es«, sagte Toby. Joshua Yorks Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an.
    »Was wäre denn, wenn ich euch bewiese, daß ich nicht das bin, was ich nach eurer Meinung sein soll?« Seine Blicke wanderten von Toby zu Jeb und wieder zurück. »Wenn sie mich bei Tageslicht sehen könnten, würden sie mir dann vertrauen?«
    » Nein «, stieß Valerie hervor. Sie war entsetzt. »Joshua, du kannst nicht . . . «
    »Ich kann«, sagte er, »und ich will. In Ordnung, Toby?«
    Der Koch hob den Kopf, blickte York in die Augen und nickte langsam. »Nun, vielleicht . . . wenn sie sehen, daß Sie nicht . . . «
    Joshua musterte die beiden Farbigen lange. »Nun gut«, sagte er schließlich. »Ich werde morgen zusammen mit euch zu Mittag speisen. Laßt für mich einen Platz am Tisch decken.«
    »Ich glaube, ich werd’ verrückt«, sagte Abner Marsh.

KAPITEL DREIZEHN
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum New Orleans, August 1857
     
     
    J oshua trug zum Dinner seinen weißen Anzug, und Toby übertraf sich selbst. Die Neuigkeit hatte sich natürlich herumgesprochen, und praktisch die gesamte Besatzung der Fiebertraum war zugegen. Die Kellner, blitzsauber in ihren adretten weißen Jacken, huschten hin und her und schleppten Tobys Festmahl auf großen dampfenden Platten und in erlesenen Porzellanschüsseln aus der Küche. Es gab Schildkrötensuppe und Hummersalat, gefüllte Krabben und in Schweineschmalz gebackene Kalbsbrieschen, Austernpastete und Hammelkoteletts, Dosenschildkröte, pfannengebratenes Huhn, weiße Rüben und gefüllte Pfefferschoten, Roastbeef und panierte Kalbsschnitzel, irische Kartoffeln und grünen Mais und Karotten und Artischocken und Bohnen, ein reichhaltiges Sortiment an Brot, Wein und Spirituosen von der Bar und frische Milch aus der Stadt, Schalen mit frisch gerührter Butter und als Dessert Plumpudding und Zitronenkuchen und ›Schwimmende Inseln‹ und Biskuitkuchen mit Schokoladensauce.
    Abner Marsh hatte noch nie in seinem Leben eine bessere Mahlzeit eingenommen.

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