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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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arbeitete, habe ich mitangesehen, wie einem Freund von mir in einem Saloon in St. Joe die Eingeweide aus dem Balg geschnitten wurden. Ich hab’ mir den Übeltäter, der das getan hat, geschnappt, hab’ ihm das Messer abgenommen und ihm das Genick gebrochen. Ich war auch in Bad Axe und unten im verfluchten Kansas, deshalb wird kein gottverfluchter Blutsauger mich bluffen. Wenn Sie mir ans Leder wollen, dann kommen Sie sofort. Ich bin zweimal so schwer wie Sie, und Sie sind noch völlig verbrannt. Ich reiße Ihnen den gottverdammten Schädel von den Schultern. Wahrscheinlich sollte ich das wegen der Dinge, die Sie getan haben, sowieso tun.«
    Stille. Dann - eine verblüffende Reaktion - lachte Joshua York lange und laut. »O Abner«, sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte, »Sie sind wirklich ein Dampfschiffer. Zur Hälfte Träumer, zur anderen Hälfte ein Prahlhans und alles in allem ein Narr. Sie sitzen da, sind total blind und wissen dabei, daß ich im Licht, das durch die Fensterläden und Vorhänge und unter der Tür hindurch hereindringt, perfekt alles sehen kann. Sie sitzen da, fett und träge, und kennen meine Kraft, meine Schnelligkeit. Eigentlich müßten Sie wissen, wie leise ich mich bewegen kann.« Eine Pause trat ein, ein Knarren, und plötzlich erklang Yorks Stimme am anderen Ende der Kabine. »Zum Beispiel so.« Wieder Stille. »Und so.« Hinter ihm. »Und so.« Er war wieder dort, wo er mit seiner Darbietung begonnen hatte; Marsh, der den Kopf gedreht hatte, um der Stimme zu folgen, fühlte sich etwas benommen. »Ich könnte Sie mit hundert sanften Berührungen, die Sie kaum spüren, verbluten lassen. Ich könnte mich an Sie anschleichen und Ihnen die Kehle aufreißen, ehe Sie überhaupt merken, daß ich aufgehört habe zu reden. Und trotzdem, trotz all dieser Dinge, hocken Sie da, starren in die falsche Richtung, recken Ihren Bart vor und prahlen und drohen mir.« Joshua seufzte. »Sie haben Mut, Abner Marsh. Ein schlechtes Urteilsvermögen, aber eine Menge Mut.«
    »Wenn Sie vorhaben, mich zu töten, dann kommen Sie schon, und bringen Sie es hinter sich«, sagte Marsh. »Ich bin bereit. Vielleicht werde ich niemals die Eclipse schlagen, aber ich habe das meiste von dem getan, was ich mir vorgenommen habe. Lieber vermodere ich in einem dieser eleganten Grabmäler in New Orleans, als für eine Bande von Vampiren einen Raddampfer zu führen.«
    »Ich habe Sie einmal gefragt, ob Sie ein abergläubischer Mensch sind oder ein religiöser«, sagte Joshua. »Sie haben es verneint. Und jetzt höre ich Sie über Vampire reden wie irgendein dummer, ahnungsloser Ignorant.«
    »Was reden Sie da? Sie haben mir doch erzählt . . . «
    »Ja, ja. Särge voller Erde, seelenlose Kreaturen, die sich nicht in Spiegeln zeigen, Dinge, die nicht über fließendes Wasser hinwegschreiten können, Kreaturen, die sich in Wölfe und Fledermäuse und Nebelschwaden verwandeln können, dabei aber vor einer Knoblauchzwiebel zurückweichen. Sie sind ein zu intelligenter Mann, Abner, um solchen Unsinn zu glauben. Legen Sie für einen kurzen Moment Ihre Wut und Ihre Ängste ab, und denken Sie nach!«
    Das ließ Abner Marsh aufmerken. Der spöttische Ton in Joshuas Stimme ließ alles ziemlich lächerlich erscheinen. Vielleicht hatte York sich bei dem bißchen Tageslicht die Haut verbrannt, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß er Weihwasser trank, Silberschmuck trug und sich in Spiegeln zeigte. »Wollen Sie mir etwa jetzt weismachen, daß Sie gar keine Vampire sind, oder was?« sagte Marsh etwas ratlos.
    »Es gibt so etwas wie Vampire überhaupt nicht«, fuhr Joshua geduldig fort. »Sie sind genauso wie diese Flußgeschichten, die Karl Framm so hübsch erzählt. Der Schatz der Drennan Whyte . Der Phantomdampfer von Raccourci. Der Lotse, der so pflichteifrig war, daß er sogar zu seiner Ruderwache erschien, nachdem er gestorben war. Geschichten, Abner. Lockere Unterhaltung, von einem erwachsenen Mann auf keinen Fall ernstzunehmen.«
    »Einige dieser Geschichten entsprechen zum Teil der Wahrheit«, protestierte Marsh schwach. »Ich meine, ich kenne viele Lotsen, die schwören, die Lichter des Phantoms gesehen zu haben, wenn sie die Raccourci-Abkürzung benutzten, und sie haben sogar gehört, wie ihre Führer und Lenker geschimpft und geflucht haben. Und die Drennan Whyte , schön, ich glaube nicht an Flüche, aber sie soff genauso ab, wie Mister Framm es geschildert hat, und die Boote, die sich einfanden, um sie zu

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