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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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hätte er sterben können. Er ist der fahle König, und Sie sind nichts, aber er tat sich dies selbst an, um Ihrer aller wertlose Loyalität zu erringen. Sind Sie jetzt zufrieden, Captain Marsh? Es scheint nicht so, da Sie hier sind.«
    »Was, zur Hölle, ist mit Ihnen passiert?« fragte Marsh und ignorierte Valerie.
    »Ich hielt mich im Licht Ihres grellen Tages weniger als zwei Stunden lang auf«, entgegnete Joshua, und nun verstand Marsh sein gequältes Flüstern. »Ich war mir des Risikos bewußt. Ich habe so etwas schon früher gemacht, wenn es sich als notwendig erwies. Vier Stunden hätten mich wahrscheinlich umgebracht. Sechs Stunden ganz bestimmt. Aber zwei Stunden oder weniger, das meiste davon im direkten Sonnenlicht verbracht - nun, ich kannte meine Grenzen. Die Verbrennungen sehen schlimmer aus, als sie es in Wirklichkeit sind. Die Schmerzen sind erträglich. Und das alles wird schnell vorübergehen. Morgen um diese Zeit wird niemand einen Hinweis finden, daß mir so etwas zugestoßen ist. Mein Fleisch beginnt bereits zu heilen. Die Blasen platzen auf, die tote Haut löst sich ab. Sie haben es selbst gesehen.«
    Abner Marsh schloß die Augen, riß sie wieder auf. Es machte keinen Unterschied. Die Dunkelheit war vollkommen, so oder so, und er konnte immer noch das blaßblaue Nachbild von dem Streichholz vor seinen Augen wahrnehmen und die furchtbare Erscheinung von Joshuas geschändetem Gesicht. »Dann ist das also mit dem Weihwasser und den Spiegeln wirkungslos«, sagte er. »Es hat keine Bedeutung. Sie können nicht bei Tag herauskommen, jedenfalls nicht richtig. Was Sie erzählt haben - von Ihren gottverdammten Vampiren. Sie sind echt. Aber Sie haben mich angelogen. Sie haben gelogen, Joshua! Sie sind kein Vampirjäger, Sie sind selbst einer von ihnen. Sie und Ihre Freundin und alle anderen. Sie alle sind selbst gottverdammte Vampire! « Marsh hielt seinen Spazierstock vor sich, ein nutzloses Hickoryschwert, um Dinge abzuwehren, die er nicht sehen konnte. Seine Kehle war wund und trocken. Er hörte Valerie hell lachen und näher kommen.
    »Reden Sie leise, Abner«, sagte Joshua ruhig, »und verschonen Sie mich mit Ihrer Entrüstung. Ja, ich habe Sie angelogen. Bei unserer ersten Zusammenkunft habe ich Sie gewarnt, daß Sie nur Lügen zu hören bekämen, wenn Sie mich ausfragten. Sie haben mich zu den Lügen gezwungen. Ich bedaure nur, daß es keine besseren Lügen waren.«
    »Mein Partner«, sagte Abner Marsh wütend. »Zur Hölle, ich kann es noch immer nicht glauben. Ein Mörder, schlimmer noch als ein Mörder. Was haben Sie in all den Nächten getrieben? Haben Sie sich auf einsame Leute gestürzt, ihr Blut getrunken, ihnen die Kehle aufgerissen? Und dann sind Sie weitergezogen, yessir , jetzt begreife ich alles. Jede Nacht eine andere Stadt, auf diese Weise kann Ihnen nichts passieren, wenn die Leute an Land herausfinden, was Sie getan haben, sind Sie längst woanders. Und nicht einfach zu Fuß, nein, in einem prachtvollen Raddampfer, im großen Stil, mit eigener Kabine und allem, was dazu gehört. Kein Wunder, daß Sie sich so sehr ein Dampfschiff gewünscht haben, Mister Cap’n York. Gott sollte Sie in die Hölle werfen.«
    » Seien Sie still «, schnappte York mit solchem Nachdruck in der Stimme, daß Marsh jäh den Mund zuklappte. »Senken Sie Ihren Stock, ehe Sie damit noch etwas beschädigen. Runter damit, sage ich.« Marsh ließ den Spazierstock auf den Teppich fallen. »Gut«, lobte Joshua.
    »Er ist genauso wie alle anderen, Joshua«, sagte Valerie. »Er versteht nicht. Er empfindet für dich nichts als Furcht und Haß. Wir dürfen ihn nicht laufen lassen.«
    »Schon möglich«, sagte Joshua widerstrebend. »Ich glaube, in ihm steckt etwas Besonderes, aber wahrscheinlich irre ich mich. Was ist nun, Abner? Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen. Reden Sie, als hinge von jedem Ihrer Worte Ihr Leben ab.«
    Aber Abner Marsh war viel zu aufgebracht, um einen klaren Gedanken zu fassen. Die Angst, die ihn erfüllt hatte, hatte dem Fieber rasender Wut Platz gemacht; er war angelogen worden, war zu einem Teil dieses Spiels gemacht worden, hatte den großen häßlichen Narren spielen dürfen. Niemand behandelte Abner Marsh so, niemand, egal ob es ein Mensch war oder nicht. York hatte seine Fiebertraum , seine Lady, in eine Art schwimmenden Alptraum verwandelt. »Ich fahre schon lange auf diesem Fluß«, sagte Marsh. »Versuchen Sie also nicht, mir Angst zu machen. Als ich auf meinem ersten Dampfer

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