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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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heben, versanken auch. Und was den toten Lotsen betrifft, denn kannte ich persönlich. Er war Schlafwandler, so war es, und er lenkte den Raddampfer, als er tief im Schlaf war. Die Geschichte wurde auf ihrem Weg flußab, flußauf nur etwas ausgeschmückt.«
    »Damit haben Sie einen Punkt für sich gemacht, Abner. Wenn Sie auf dem Wort bestehen, dann ja, Vampire sind etwas Reales. Aber die Geschichten über uns wurden auch erheblich ausgeschmückt. Ihr Schlafwandler wurde im Laufe der Jahre und nach dem x-ten Erzählen der Geschichte zu einer Leiche. Versuchen Sie sich vorzustellen, was er in einem Jahrhundert sein wird.«
    »Was sind Sie denn dann, wenn kein Vampir?«
    »Ich kenne kein simples Wort für das, was ich bin«, sagte Joshua. »Auf englisch können Sie mich vielleicht einen Vampir, Hexer, Zauberer, Werwolf, Magier, Dämon, Ghoul nennen. Andere Sprachen haben andere Namen: Nosferatu , Odoroten , Upir , Loup Garou . Alles Namen, die Ihre Leute so armseligen Wesen verliehen haben, wie ich eines bin. Ich mag diese Namen nicht. Keiner davon trifft auf mich zu. Dennoch kann ich nichts anderes statt dessen anbieten. Wir haben für uns selbst keine Bezeichnung.«
    »Und Ihre eigene Sprache . . . «, sagte Marsh.
    »Wir haben keine Sprache. Wir benutzen die menschliche Sprache, menschliche Bezeichnungen. So haben wir es schon immer gemacht. Wir sind keine Menschen, wir sind auch keine Vampire. Wir sind . . . eine andere Rasse. Wenn wir uns selbst benennen, dann geschieht es gewöhnlich mit einem Ihrer Worte in einer Ihrer Sprachen, dem wir eine geheime Bedeutung verliehen haben. Wir sind das Volk der Nacht, das Volk des Blutes. Oder ganz einfach das Volk.«
    »Und wir?« wollte Marsh wissen. »Wenn Sie das Volk sind, was sind dann wir?« Joshua York zögerte kurz, und Valerie ergriff das Wort. »Das Volk des Tages«, sagte sie schnell.
    »Nein«, sagte Joshua. »Das ist mein Ausdruck. Er wird von meinem Volk im allgemeinen nicht benutzt. Valerie, die Zeit für Lügen ist vorbei. Erzähl Abner die Wahrheit.«
    »Sie wird ihm nicht gefallen«, warnte sie. »Joshua, das Risiko ...« »Und wenn schon«, unterbrach Joshua sie. »Valerie, erzähl’s ihm.«
    Für einen Moment herrschte bleierne Stille. Dann sagte Valerie leise: »Das Vieh. So nennen wir Sie, Captain. Das Vieh.«
    Abner Marsh blickte finster und ballte die Faust.
    »Abner«, sagte Joshua, »Sie wollten die Wahrheit hören. Ich habe in der letzten Zeit viel über Sie nachgedacht. Nach Natchez befürchtete ich, ich müßte für Sie einen Unfall arrangieren. Wir dürfen nicht das Risiko der Entlarvung eingehen, und Sie sind für uns eine Bedrohung. Simon und Katherine haben mich bestürmt, Sie umzubringen. Diejenigen meiner neueren Gefährten, die ich ins Vertrauen gezogen habe, wie Valerie und Jean Ardant, waren ebenfalls dafür. Und doch, obgleich meine Leute und ich entschieden sicherer wären, wenn Sie tot wären, tat ich es nicht. Ich bin den Tod leid, die Angst, das endlose Leid des Mißtrauens zwischen unseren Rassen. Ich fragte mich statt dessen, ob wir nicht versuchen könnten zusammenzuarbeiten, aber ich war mir nie ganz sicher, ob Ihnen zu trauen ist. Bis zu dieser Nacht in Donaldsonville, ich meine die Nacht, in der Valerie versucht hatte, Sie dazu zu bewegen, mit der Fiebertraum zu wenden. Sie erwiesen sich als stärker, als ich hätte jemals erwarten können, als Sie ihr widerstanden, und Sie verhielten sich auch weitaus loyaler. Zu diesem Zeitpunkt traf ich meine Entscheidung. Sie sollten am Leben bleiben, und wenn Sie jemals wieder mit Fragen zu mir kämen, würde ich Ihnen die Wahrheit erzählen, die ganze Wahrheit, die gute wie die schlechte. Wollen Sie es sich anhören?«
    »Habe ich eine andere Wahl?« fragte Marsh.
    »Nein«, gab Joshua York zu.
    Valerie seufzte. »Joshua, ich flehe dich an, es dir noch einmal zu überlegen. Er ist einer von denen , ganz gleich wie gern du ihn hast. Er wird nicht verstehen. Eines Tages kommen sie mit angespitzten Holzpflöcken herauf, du weißt genau, daß sie es tun.«
    »Ich hoffe nicht«, sagte Joshua. Dann, an Marsh gewandt, fuhr er fort: »Sie hat Angst, Abner. Dies ist etwas ganz Neues, was ich zu zu tun im Begriff bin, und neue Schritte sind immer gefährlich. Hören Sie mich zu Ende an, und verurteilen Sie mich nicht, vielleicht kann es zwischen uns eine echte Partnerschaft geben. Ich habe noch nie zuvor jemandem von Ihrer Rasse diese Wahrheit erzählt . . . «
    »Einem Stück Vieh also«,

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