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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Unschuldigen, die Schönen, sie vor allen anderen. Sie schienen eine Art inneres Leuchten zu besitzen, das den Durst in mir entfachte, wie alte und kranke Menschen es nicht schafften. Und bei anderen Gelegenheiten liebte ich genau die Qualitäten, die zu töten ich getrieben wurde.
    Verzweifelt versuchte ich mich zu ändern. Mein Wille, der normalerweise so stark war, zerfloß zu nichts, wenn der rote Durst mich überkam. Ich wandte mich voller Hoffnung der Religion zu. Als ich die ersten Vorzeichen des nahenden Fiebers spürte, suchte ich eine Kirche auf und beichtete dem Priester, der auf mein Klopfen öffnete, alles, was ich getan hatte. Er glaubte mir nicht, aber er erklärte sich bereit, mit mir gemeinsam zu beten. Ich trug ein Kreuz um den Hals, kniete vor dem Altar, betete inständig, die Kerzen und Heiligenbilder um mich herum, sicher im Hause Gottes mit einem seiner Geistlichen an meiner Seite. Nach drei Stunden stürzte ich mich auf ihn und tötete ihn dort in der Kirche. Es war eine kleine Sensation, als die Leiche am nächsten Tag gefunden wurde.
    Dann versuchte ich es mit Logik. Wenn die Religion keine Antworten lieferte, dann konnte das, was mich trieb, nicht übernatürlichen Ursprungs sein. Ich schlug Tiere anstatt Menschen. Ich stahl Menschenblut aus der Praxis eines Arztes. Ich brach bei Begräbnisunternehmen ein, wenn ich wußte, daß ein soeben Verstorbener in den Räumen aufgebahrt war. All das half, mein Durst wurde etwas gemildert, aber ganz zum Verschwinden ließ er sich damit nicht bringen. Die beste dieser Hilfsmaßnahmen bestand darin, ein lebendiges Tier zu töten und das noch körperwarme Blut zu trinken. Es war das Leben, sehen Sie, das Leben genauso wie das Blut selbst.
    Bei alledem achtete ich auch auf meinen Schutz. Ich zog einige Male in England um, damit der Tod und das Verschwinden meiner Opfer sich nicht an einem Ort auffällig häuften. Ich begrub so viele Körper wie möglich. Und schließlich setzte ich bei der Jagd auch mehr und mehr meinen Intellekt ein. Ich brauchte Geld, daher suchte ich mir stets wohlhabende Beute aus. Ich wurde reich und reicher. Geld führt zu mehr Geld, und sobald ich erst einmal einiges zusammen hatte, fiel mir immer mehr - rechtschaffen und sauber - in den Schoß. Mittlerweile beherrschte ich das Englische recht fließend. Ich änderte erneut meinen Namen, putzte mich zum Gentleman heraus, kaufte mir ein einsames Haus im schottischen Moor, wo mein Verhalten nur wenig Aufsehen erregte, und stellte einige verschwiegene Diener ein. Jeden Monat war ich einmal in Geschäften unterwegs und blieb stets die Nacht über fort. Keines meiner Opfer lebte in meiner Nähe. Die Diener ahnten nichts von allem.
    Am Ende hatte ich eine Idee, von der ich glaubte, daß sie die Lösung meiner Probleme lieferte. Eine meiner Dienerinnen, ein hübsches junges Mädchen, war mir immer vertrauter geworden. Sie schien mich gern zu haben, und nicht einfach nur als ihren Arbeitgeber. Ich erwiderte ihre Zuneigung. Sie war ehrlich, freundlich und recht intelligent, wenn auch etwas ungebildet. Ich begann sie als meine Freundin zu betrachten und sah in ihr einen Ausweg. Oft hatte ich über die Möglichkeit nachgedacht, mich selbst in Ketten zu legen oder mich sonstwie einzusperren, bis der rote Durst vergangen war, aber ich hatte nie einen richtigen Plan entwickeln können, der wirklich funktioniert hätte. Wenn ich den Schlüssel irgendwo in Reichweite plazierte, dann würde ich ihn auch benutzen, wenn der rote Durst mich wirklich ergriffen hatte. Wenn ich ihn wegwarf, wie hätte ich mich dann wieder aus den Ketten befreien können? Nein, ich brauchte die Hilfe einer anderen Person, aber ich hatte immer noch die Warnung meines Vaters im Ohr gehabt, niemandem von Ihrer Rasse mein Geheimnis anzuvertrauen.
    Nun beschloß ich, ein Wagnis einzugehen. Ich entließ meine anderen Bediensteten und schickte sie fort und stellte niemand Neues ein. Ich ließ einen Raum in meinem Haus bauen. Ein kleines fensterloses Zimmer mit dicken Steinwänden und einer Eisentür so dick wie in der Zelle, die ich mit meinem Vater geteilt hatte. Sie konnte von außen mit drei mächtigen Eisenriegeln versperrt werden. Ich würde nicht herauskommen können. Als der Raum fertiggestellt war, rief ich meine hübsche kleine Zofe herein und gab ihr Anweisungen. Ich vertraute ihr noch nicht genug, um ihr die volle Wahrheit zu offenbaren. Ich hatte Angst davor, Abner, daß sie, wenn sie tatsächlich wußte, wer ich

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