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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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in Wirklichkeit war, mich denunzieren oder sofort weglaufen würde, und damit wäre die so greifbare Lösung meines Problems ebenfalls zerronnen, zusammen mit meinem Haus und meinem Besitz und dem Leben, das ich mir aufgebaut hatte. So erzählte ich ihr, daß ich jeden Monat einen kurzen Anfall von Raserei hätte, ein Zustand, wie man ihn auch nach Epilepsieanfällen gelegentlich beobachten könnte. Während dieser Anfälle würde ich mich in meinen Spezialraum zurückziehen, und sie müsse mich dort einriegeln und mich ganze drei Tage dort festhalten. Ich würde Lebensmittel und Wasser mitnehmen, außerdem ein paar lebende Hühner, um den Durst wenigstens etwas zu mildern.
    Sie war schockiert, besorgt und sehr verwirrt, aber am Ende erklärte sie sich bereit zu tun, um was ich sie bat. Ich glaube, sie liebte mich auf ihre Art und war bereit, so gut wie alles für mich zu tun. So betrat ich den Raum, und sie verriegelte die Tür hinter mir.
    Und der Durst stellte sich ein. Es war beängstigend. Obwohl keine Fenster vorhanden waren, fühlte ich das Kommen und Gehen des Tages. Ich schlief bei Tag - wie immer -, aber die Nächte waren ein einziger Horror. Gleich in der ersten Nacht tötete ich alle Hühner und sättigte mich an ihnen. Ich verlangte, herausgelassen zu werden, und meine treue Zofe verweigerte es mir. Ich beschimpfte sie. Dann schrie ich nur noch und stieß unzusammenhängende Laute wie ein Tier aus. Ich warf mich gegen die Wände, trommelte gegen die Tür, bis meine Fäuste blutig waren, dann hockte ich mich hin, um gierig mein eigenes Blut aufzusaugen. Ich versuchte auch, mich durch das weiche Gestein hindurchzukratzen. Aber ich konnte nicht heraus.
    Am dritten Tag beruhigte ich mich und begann wieder nachzudenken. Es war so, als wäre mein Fieberwahn gebrochen. Ich befand mich wieder auf dem Weg der Besserung und fand zu meinem alten Selbst zurück. Ich spürte, wie der Durst nachließ und verging. Ich rief meine Zofe an die Tür und erklärte ihr, es sei vorbei, sie könne mich wieder herauslassen. Sie weigerte sich und meinte, ich hätte ihr aufgetragen, mich drei ganze Nächte lang eingesperrt zu halten, wie ich es auch wirklich getan hatte. Ich lachte und gab zu, daß das stimmte, sagte aber auch, daß der Anfall gekommen und wieder vergangen wäre und daß ich wüßte, daß es erst wieder in einem Monat so weit wäre. Auch dann wollte sie die Tür nicht öffnen. Ich beschimpfte sie nicht. Ich meinte statt dessen, daß ich sie verstünde, und ich lobte sie dafür, daß sie ihre Befehle so genau befolgte. Ich bat sie, zu bleiben und mit mir zu reden, da ich mich in meinem Gefängnis ziemlich einsam fühle. Sie war einverstanden, und wir unterhielten uns fast eine ganze Stunde lang. Ich war ruhig und zuvorkommen, sogar charmant und geduldig in mein Schicksal ergeben, das noch eine weitere Nacht in dieser Kammer für mich bereit hatte. Wir unterhielten uns so gründlich und ausgeglichen, daß sie am Ende zugab, daß ich so klang, als wäre alles wieder in Ordnung. Ich erklärte, was für ein gutes Mädchen sie doch sei, wenn sie so genau auf meine Stimme und meine Worte hörte. Ich äußerte mich über ihre Verdienste und meine Zuneigung zu ihr. Schließlich bat ich sie sogar, mich zu heiraten, sobald ich wieder frei sei.
    Sie öffnete die Tür. Sie sah so glücklich aus, Abner. So unsagbar glücklich und vor Leben sprühend. Sie war so lebendig. Sie kam mir entgegen, um mich zu küssen, und ich umschlang sie mit den Armen und zog sie an mich. Wir küßten uns mehrmals. Dann glitten meine Lippen an ihrem Hals herab und ich fand die Arterie und öffnete sie. Ich . . . trank . . . so lange. Ich war furchtbar durstig, und ihr Lebenssaft war so süß. Aber als ich sie losließ und sie vor mir zurückwich, lebte sie noch, nur wenig, nahezu ausgeblutet und sterbend, aber noch immer bei Bewußtsein. Der Ausdruck ihrer Augen, Abner! Der Ausdruck ihrer Augen!
    Von all den Dingen, die ich je getan hatte, war dies die schrecklichste Tat. Sie wird mir immer im Bewußtsein bleiben. Immer sehe ich ihre Augen, die mich anschauen.
    Danach war meine Verzweiflung grenzenlos. Ich versuchte mich selbst zu töten. Ich kaufte ein silbernes Messer, dessen Griff wie ein Kreuz geformt war - der Aberglaube hatte noch immer viel Macht über mich. Und ich schlitzte mir die Schlagadern auf und legte mich in eine Badewanne mit warmem Wasser, um zu sterben. Ich erholte mich jedoch. Ich stürzte mich in mein Schwert, wie es im Rom

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