Fieses Karma
mir zu wünschen, dass diese Stimme mehr als zwei Wörter zu mir sagen würde.
Es ist Heather Campbells Stimme.
»Apparat von Mason Brooks«, ahmt sie eine dieser übertrieben gut gelaunten Sekretärinnen nach und bricht in betrunkenes Gelächter aus. Anschließend raschelt es laut am anderen Ende der Leitung. Es klingt, als würde Masons Handy durch den Schleudergang unserer Waschmaschine gejagt.
Und dann höre ich wieder Heathers Stimme – diesmal klingt sie weiter weg, aber immer noch glasklar. »Mason, ein Anruf für dich! Ich glaube, es ist deine … Exfreundin .«
Mein ganzer Körper erstarrt, und der Hörer gleitet mir aus der Hand. Er fällt in meine weiche Bettdecke, sodass die Geräusche von Lachen und Musik, die mir das Herz brechen, fast vollkommen verschluckt werden, und dann … Totenstille.
Ich schaffe es kaum, aufs Display zu sehen. Aus. Die Leitung ist tot.
Auch für den Rest des Wochenendes höre ich nichts von Mason, aber ich rede mir erfolgreich ein, dass er Zeit braucht, um wieder zu Sinnen zu kommen und sich eine Entschuldigung auszudenken. Als ich am Montag in die Schule fahre, erwarte ich eigentlich ein Dutzend rote Rosen in meinem Spind und dazu einen zehn Seiten langen Brief von Mason, in dem er seine idiotische Dummheit und Kurzsichtigkeit zugibt. Vielleicht wird er es auf den Alkohol schieben. Vielleicht wird er mir erzählen, Heather hätte ihm eine Pistole an den Kopf gehalten und ihn gezwungen, es mit ihr zu treiben. Egal was – ich werde gut und lange überlegen müssen, ob ich ihm vergebe oder nicht.
Doch als ich die Zahlenkombination eingebe und meinen Spind öffne, ist er zu meinem Entsetzen leer. Na ja, außer meinen Schulbüchern, Heften, dem Rechner und natürlich der Seite aus Trend Girl mit Masons Foto, die ich auf die Innenseite der Tür geklebt habe. Doch ich sehe keinen Brief. Keine Karte. Noch nicht mal einen Notizzettel. Gar nichts.
Spontan reiße ich sein Bild von der Tür, zerknülle es und werfe es hinten in mein Fach, wo es zusammen mit den vielen Schokoriegelhüllen und den braunen Essenstüten verrotten kann. Dann schlage ich die Spindtür mit einem lauten Knall zu.
Die Schüler um mich herum flüstern und zeigen auf mich. Als wäre ich eine Zirkussensation. Und ich weiß genau, was sie sagen. » Sieh mal, das ist das arme Mädchen, das mit Mason Brooks zusammen war .«
Vor meinem geistigen Auge taucht derselbe E!-News-Reporterwieder auf. Diesmal hat er eine viel tragischere Geschichte zu berichten: »Es sieht so aus, als könnte Mason Brooks dem neuen Druck als Promi, der durch sein Foto in Trend Girl entstanden ist, nicht standhalten. Nur fünf Tage nach dem Erscheinen der Ausgabe wurde Mason auf einer Party beim Liebesspiel mit einer gewissen Heather Campbell gesichtet. Laut zuverlässigen Quellen soll seine frühere Freundin, die für seine fünfzehn Minuten Ruhm verantwortlich ist, am Boden zerstört sein. Ob die Liebe des Paares je wieder zum Leben erweckt werden kann, steht in den Sternen.«
Ich senke den Kopf und mache mich auf den Weg zur ersten Stunde, während ich versuche, das Flüstern und Starren zu ignorieren. Dies muss die dunkle Seite des Ruhms sein, von der man immer liest. Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, von Paparazzi verfolgt zu werden. Nicht im positiven Fall, wenn man zum Beispiel einen Hit gelandet oder der eigene Freund einen Multimillionen-Dollar-Vertrag mit einem neuen Fußballverein unterzeichnet hat. Es ist genau die Art von Aufmerksamkeit, die man erlebt, wenn man wegen Trunkenheit am Steuer angehalten und zu einer Gefängnisstrafe verdonnert worden ist, als wollten die Fotografen nun ein Foto, das sie mit der Schlagzeile IHRE LETZTEN TAGE IN FREIHEIT auf die Titelseite setzen können.
Denn in Wahrheit ähnelt diese Schule einem einzigen gigantischen Klatschblatt. Wer mit wem Schluss gemacht hat, Modepatzer, wer auf der Treppe gestolpert ist, privates Zeug im Spind und umgeworfene Tabletts in der Cafeteria – das sind für unsere Klatschmühle die heißesten Themen. Und da sich die Einzelheiten über die Apartment-Party am letzten Samstag schneller als im Internet auf den Gängen verbreiten, prangt jetzt mein Gesicht auf dem neuesten Titelblatt.
Vielleicht kommt Mason heute bloß zu spät zur Schule. Vielleicht hat er die letzte Nacht nur geweint und seine Entschuldigung an mich poliert, sodass er den Wecker nicht gehört hat undgerade (mit einem Rosenstrauß in der Hand) zur Schule rennt, um vor mir auf die Knie zu
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