Fieses Karma
Wahrheit ist, dass keiner in meiner Familie ein berühmter Tennisspieler ist. Der Name Kasparkova stammt von meinem Urgroßvater väterlicherseits. Er emigrierte um 1912 herum aus Russland und keiner hat sich je die Mühe gemacht, seinen Namen zu amerikanisieren. Das Nervigste daran ist, dass niemand den doofen Namen aussprechen kann. Deswegen werde ich seit der Grundschule die meiste Zeit nur »Maddy K.« genannt.
»Weißt du eigentlich, was das Fieseste an der ganzen Geschichte ist?«, frage ich, ohne von Jade eine Antwort zu erwarten, denn ich fahre ohne Pause fort: »Mason steht jetzt da wie der King. Er ist jetzt mit Heather Campbell zusammen. Er kann sich praktisch alles erlauben. Und die Ausgabe von Trend Girl gibt es noch mindestens drei Wochen zu kaufen, und er profitiert davon. Es ist einfach nicht fair.«
Jade zuckt gelassen mit den Schultern, als wäre ihr der Gedanke zwar auch schon gekommen, würde sie aber nicht im Geringsten beunruhigen. »Keine Sorge, der kriegt seine Strafe.«
»Nein, kriegt er nicht«, widerspreche ich sofort.
»Klar wird er das«, versichert Jade mir, während sie eine zweite Schicht Nagellack auf ihren großen Zeh pinselt und sich dann zurücklehnt, um ihr Werk zu bewundern. »Mason Brooks mag zwar jetzt eine lokale Berühmtheit sein, aber auch er ist gegen Karma nicht immun. Niemand ist das.«
Sie spricht das Wort Karma aus, als würde ein magischer Zauber an ihm haften.
»Karma?«, wiederhole ich skeptisch.
»Ja.« Sie schraubt den Verschluss des Nagellackfläschchens zu und stellt es auf den Nachttisch. »Irgendwann erwischt das Karma jeden. Egal wer man ist – man kann nicht ein Leben lang auf anderen herumtrampeln, ohne dafür seine gerechte Strafe zu bekommen. Du erntest, was du gesät hast. So funktioniert das. Früher oder später wird das Universum Mason Brooks einen hübschen, dampfenden Teller Rache servieren. Egal wie sexy seine Haare nach dem Fußballtraining auch aussehen.«
»Klingt nach Wunschdenken.« Ich starre gerade auf die neueste Tamponwerbung in einem Hochglanzmagazin, in der ein Mädchen in einer knallengen Stretchhose (das angeblich gerade seine Tage hat und sich trotzdem keinen Deut darum schert, dass seine weiße Hose so eng anliegt) auf den Schultern eines Jungen sitzt, der wohl ihr Freund sein soll. Ich verziehe das Gesicht und grunze angewidert. »Jungs benehmen sich einfach nicht wie in der Tamponwerbung, was?«
»Hä?« Jade beugt sich über meine Schulter, um zu sehen, worauf sich meine Bemerkung bezieht. »Ach so, ja. Nein, das tun sie nicht.«
»Sie tragen einen nicht auf den Schultern, wenn man zu müde zum Gehen ist. Sie kommen nicht angerannt, um einen in der Notzu retten. Sie nehmen sich nur, was sie von dir wollen, und dann gehen sie zur Nächsten.«
Jade nickt ernst. »Genau. Als ich Seth gesagt habe, dass ich noch nicht bereit bin, mit ihm zu schlafen, ist er einfach zu einer gegangen, die es war.«
»Und ich hatte schon eine große Party zu Masons achtzehntem Geburtstag im nächsten Monat geplant. Und das wusste er!«
Jade schüttelt empört den Kopf. »Undankbarer Dreckskerl.«
Nach einer weiteren Viertelstunde des guten alten Lästerns über Jungs befürchte ich langsam, dass wir schon wie verbitterte geschiedene Frauen mittleren Alters klingen. Ich denke, es ist besser, nach Hause zu fahren, bevor sich die Verbitterung dauerhaft in mir festsetzt.
Eigentlich hatte ich gehofft, heute um das Abendessen mit der Familie herumzukommen. Erstens habe ich kaum noch Appetit, seit ich mich in einer Gasse mitten in San Francisco übergeben musste. Und zweitens habe ich meinen Eltern und meiner Schwester noch nicht wirklich erzählt, was mit Mason passiert ist. Zum Teil, weil ich nicht sicher bin, ob ich die Worte herausbringe, ohne in Tränen auszubrechen. Aber hauptsächlich, weil ich mich wohl immer noch an die Hoffnung klammere, dass alles nur ein schlechter Traum ist. Dass Mason irgendwann wieder zu Sinnen kommt, Heather Campbell einen Tritt in den Hintern gibt und auf Knien angekrochen kommt.
Doch sobald ich die Tür hinter mir schließe, weiß ich, dass das mit dem Essen-ausfallen-Lassen heute nichts wird.
»Setz dich, Maddy«, sagt meine Mutter streng, als ich versuche, mich an der Küche vorbei und in mein Zimmer zu schleichen. »Wir müssen reden.«
Sofort ist mir klar, dass meine Eltern über irgendwas sauer sind.
»Ich hab schon gegessen«, protestiere ich, während ich mich auf meinen Platz fallen lasse. Meine
Weitere Kostenlose Bücher