Fieses Karma
der Oberkörper schon drinnen –, bin ich sogar noch dankbarer für die Tatsache, dass sich hinter mir keine Häuser befinden. So kann wenigstens niemand meinen unförmigen schwarzen Hintern sehen, der aus Heathers Badfenster baumelt.
Angie packt mich an beiden Händen und zieht den Rest meines Körpers durch das offene Fenster, während ich ungeschickt auf eine dicke weiche Badematte plumpse, die extra für mich dort hingelegt zu sein scheint – wie eine überaus elegante Landebahn.
Als ich wieder auf den Beinen bin, nehme ich mir einen Moment Zeit, meine Umgebung zu begutachten. Die Wände sind in einem zarten Himmelblau gestrichen, das sich von dem Dunkelbraun der Holzschränkchen und des Spiegelrahmens abhebt. Auf der Ablage sind mehrere Teelichter in flachen Holzschälchen aufgereiht und am Handtuchhalter hängen flauschige weiße Handtücher.
Sogar Heather Campbells Bad ist vollkommen , denke ich.
»Jetzt mach schon«, zischt Angie ungeduldig und holt mich wieder in die Gegenwart zurück. »Worauf wartest du noch? Hilf mir beim Suchen!«
Ich reiße mich von dem Anblick des Miniaturbananenbaums in der Ecke los und sehe, dass Angie schon hastig die Schränkeund Schubladen durchsucht. Schnell nehme ich mir den Schrank unter dem Waschbecken vor und durchforste ihn nach einer Dose, die dem Bild auf der Broschüre ähnelt.
»Ich hab sie!«, flüstert Angie heiser über meinem Kopf. Sie nimmt die lila-weiße Plastikdose aus dem Medizinschränkchen und stellt sie auf die Ablage. Im Nu hat sie den Deckel von unserer Plastikdose entfernt.
»Also los«, flüstert sie aufgeregt. »Lass uns die Creme austauschen und dann verschwinden!«
Die Schmetterlinge sind wieder da und flattern munter in meinem Bauch herum, während ich den Deckel der Dose mit dem Myzaclin aufschraube.
Das hier ist real! , sage ich mir im Stillen. Und es wird wirklich funktionieren!
Doch als ich einen Blick in die offene Dose werfe, halte ich den Atem an und das Blut gerinnt mir in den Adern.
Angie steht neben mir, den Plastiklöffel in der Hand, bereit, die Creme aus der Dose zu löffeln, im Waschbecken runterzuspülen und durch unsere »Verbesserte Rezeptur« zu ersetzen.
»Äh … Angie?«, bringe ich mühsam heraus, ohne sie anzusehen. »Es gibt da ein kleines Problem.«
Angie legt den Kopf schräg und funkelt mich ungeduldig an. »Was denn?«
Ich halte ihr die offene Dose hin, damit sie sieht, was ich sehe. »Sie ist grün«, sage ich verlegen.
Angies Augen weiten sich und sie sieht mich mit offenem Mund an. »Grün? Was zum …« Dann reißt sie mir die Dose aus der Hand, hält sie sich vors Gesicht und dreht sie hin und her, als könnte die Reflexion des Lichts die Farbe verändern. Aber das tut sie natürlich nicht. »Wie kann sie grün sein?«, kreischt sie laut. Viel zu laut.
Panisch strecke ich die Hand aus und halte ihr den Mund zu. »Psst!«
»Das versteh ich nicht«, jammert sie viel leiser. »Auf allen Fotos in der Broschüre ist die Creme weiß!«
Ich nehme ihr die Dose weg und untersuche sie. Etwas springt mir ins Auge, und ich zeige auf eine Zeile auf dem Aufkleber. »Jetzt mit pflegendem Gurkenextrakt«, lese ich laut vor. »Daher kommt wahrscheinlich die grüne Farbe.«
Angie reißt mir wieder die Dose aus den Händen und liest den Aufkleber. »Oh shit!«, flucht sie leise. »Es muss sich um eine neue Variante oder so was handeln. Was zum Teufel sollen wir denn jetzt tun? Wir können eine grüne Gesichtscreme doch nicht durch eine weiße ersetzen!«
In diesem Augenblick kommt es mir vor, als hätten Angie und ich ein neues Universum betreten und unsere Rollen getauscht. Denn zum ersten Mal in unserer langjährigen Freundschaft ist sie diejenige, die total ausflippt, während ich ungewöhnlich ruhig bleibe.
»Also«, sage ich und hole tief Luft. »Ich glaube, wir müssen etwas grüne Lebensmittelfarbe finden.«
Fünfundvierzig Sekunden später haben wir uns einen hastigen, doch scheinbar durchführbaren Plan zurechtgelegt: Während Angie zu Jade zurückgeht – der sicher langsam die Fragen ausgehen, die sie Heathers Mutter in der Küche noch stellen könnte –, lausche ich stumm an der Badezimmertür auf das verabredete Zeichen.
Nach ein paar Minuten gedämpfter Unterhaltung am anderen Ende des Flurs sagt Angie laut (damit ich es hören kann): »Äh, warte mal, Jade. Du hast vergessen, Mrs Campbell nach ihrem Weichspüler zu fragen.«
Es entsteht eine kurze Stille, in der Jade mit ziemlicher Sicherheit
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