Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
abwärts,” sagte Simpson. „Wenn ich damit fertig bin, möchte ich,
dass Sie so weit nach vorne springen, wie Sie können. Verstanden?”
Spocatti
nickte.
Das
Rückwärtszählen begann.
Als
Simpson bei null ankam, stieß sich Spocatti ohne zu zögern von der Brücke ab
und stürzte in einem eleganten Bogen dem Fluss zu. Zusammen mit der Menge trat
Celina nach vorn und sah zu. Mit ausgestreckten Armen und hoch erhobenem Kopf
schien Spocatti zu fliegen – dann spannte sich das Seil und schleuderte
ihn wie eine Peitsche zurück.
Weder
schrie er, noch kreischte er, noch brüllte er. Er gab keinen Schlachtruf oder
Freudenschrei von sich. Er schoss einfach wieder zur Brücke hoch und begann,
auf und ab zu federn. Es war schnell zu Ende. Man ließ ihn auf das Floß hinab.
Als
man ihm das Seil und die Augenbinde abgenommen hatte, sah Simpson auf Celina.
Sie war blass. Sie drückte Jacks Arm mir der einen Hand und schlug nach den
Moskitos mit der anderen.
„Ich
bin zufrieden,” sagte er. „Sie sind die Nächste?”
„Ist
das eine wirkliche Frage?” wollte Celina wissen. „Kein Problem.”
„Versuchen
Sie, sich zu konzentrieren,” sagte Simpson zu ihr. „Schließen Sie alles aus
Ihrem Bewußtsein aus und denken Sie einzig an den Sprung. Es wird Ihnen nichts
passieren. Ich verspreche es Ihnen. Gleich werden Sie sicher auf dem Floß sein
und das auf Ihrem Gesicht haben, was wir Springer das Post-Bungee-Grinsen
nennen.”
Obgleich
sie wenig von dem hörte, was er zu ihr sagte, holte Celina tief Atem und
nickte. Und wieder stand sie am Rande der Fußgängerbrücke und umklammerte das
Geländer hinter sich mit verkrampften Händen. Von dem Floß schauten Spocatti
und Simpsons Assistent nach oben. Sie schienen tausend Meilen weit weg zu sein.
Celina
richtete die Augenbinde und fragte sich, warum sie das überhaupt tat. Warum
musste sie sich und anderen immer wieder beweisen, dass sie ebenso stark,
ebenso tapfer und ebenso klug wie ein Mann war? Das bedeutet, ich muss eine Therapie machen. Na toll.
Sie
spürte eine Hand auf ihrem Arm. „Ist alles in Ordnung?” fragte Jack.
„Ja,
sicher,” log sie.
„Und
du bist sicher, dass du das durchziehen willst?”
„Mmm-hmm.”
„Ich
liebe dich,” sagte er.
Celina
erschrak. Sie musste sie verhört haben. Aber als er ihren Arm drückte und sie
zärtlich auf die Wange küsste, wusste sie, dass sie richtig gehört hatte. Er liebt mich, dachte sie. Wenn die Zeit
es erlaubt hätte, hätte auch sie ihm gesagt, dass sie ihn liebe. Aber bevor sie
die Gelegenheit dazu hatte, war Jack bereits zur Seite getreten, so dass
Simpson ihr das Bungee-Seil um die Knöchel binden konnte.
„Okay,
Celina,” sagte er. „Ich zähle jetzt von fünf abwärts. Springen Sie so weit
hinaus, wie Sie können, und das Seil übernimmt den Rest. Fertig?”
Sie
nickte.
„Nun
denn. Und los geht’s.”
Er
begann zu zählen.
In
Celinas Kopf drehte sich alles. Mit jeder ausgesprochenen Zahl spürte sie, wie
ihr Herz ein paar Schläge schneller ging, ihre Atmung ein bisschen flacher
wurde und ihre Hände das Geländer ein wenig fester umklammerten. Sie fragte
sich, was passieren würde, wenn das Seil riss. Sie dachte an das Floß und die
Sicherheit, die es bedeutete. Sie dachte an ihre Mutter, ihren Vater und sogar
an Leana. Sie dachte an vergangene Nacht mit Jack und an das, was er soeben zu
ihr gesagt hatte. Und dann, im selben Moment, in dem Simpson „Sprung!” schrie,
merkte sie, dass sie zum Klo musste.
Es
war ein Alptraum.
Der
Wind peitschte durch ihre Haare und riss ihr die Augenbinde vom Gesicht. Sie
sah Bäume, Felsen und das Wasser auf sich zukommen. Ihr Magen verkrampfte sich.
Ihre Blase entleerte sich. Die Welt wurde verschwommen. Und das Bungee-Seil
spannte sich.
Kurz
vor dem Aufschlagen auf das Wasser hörte der Fall auf. Einen Moment lang
schaute sie Spocatti in die Augen, und dann wurde sie von ihm und dem
Assistenten auf dem Floß weg und mit den Zehen nach oben zur Brücke hin
zurückgeschleudert – von wo aus sie wieder zu stürzen begann.
Als
das Auf und Ab zu einem Stillstand kam und der Assistent ihr auf das Floß
geholfen hatte, nahm Spocatti sie bei der Hand und führte sie zu einem der
hölzernen Sitze, wo sie sich erschöpft hinsetzte.
„Das
macht Spaß, nicht wahr?” fragte er.
Celina
wollte schon entgegnen, dass es überhaupt keinen Spaß gemacht hatte –
dass alles schrecklich gewesen war –, als Spocatti plötzlich ausrutschte,
hart gegen die
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