Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
schien verlegen. „Es ist Leana Redman, Sir. Sie möchte ihn
sehen.”
„Und
Sie lassen es nicht zu. Schreit sie deswegen so?”
Die
Frau nickte. „Ihren Anordnungen zufolge sind Besuche nur der unmittelbaren
Familie gestattet.”
„Dann
werfen Sie sie zum Teufel noch mal hinaus.”
Die
Frau wollte etwas antworten, zögerte dann aber. „Es ist wegen ihres Vaters,”
sagte sie. „Er hat so viel für das Krankenhaus getan. Wir haben Angst, wenn wir
–“
„Sie
stört die Patienten,” sagte De Cicco gelassen. „Wollen Sie mir weismachen, dass
Sie das zulassen?” Er erkannte, dass sie genau das vorhatten, und spürte den
Puls an seinen Schläfen schneller werden.
„Vielleicht
sollte ich selber mit ihr sprechen,” sagte er. „Er ging um das Bett herum und
auf die Tür zu. „Bleiben Sie bei meinem Sohn. Ich bin gleich zurück.”
* * *
Sie
war nicht dieselbe Person, die er von vor zwei Jahren her kannte.
Als
er aus dem Raum und in den Korridor trat, drehte sich Leana ihm zu, und er war
erstaunt über den Wandel in ihr. Ihre Haut sah unter den Neonleuchten blass
aus, und ihre Gesichtszüge wirkten durch das Alter geschärft. In ihren Augen
entdeckte er eine kluge Bestimmtheit, die ihn innehalten ließ. Das war ihm neu
an ihr.
Er
ging auf sie zu, und Leana sah ihm mit solch einer Entschlossenheit und solch
einem Trotz entgegen, dass ihre Augen zu brennen schienen. Ihre Stimme war
fest, als sie zu sprechen anhob. „Ich werde nicht gehen, bevor ich ihn gesehen
habe, Antonio.”
Sie
war in seinen Sohn verliebt. Diese Frau hatte gerade geheiratet, und dennoch
war sie in seinen Sohn verliebt. Er konnte es auf ihrem Gesicht sehen, in ihrer
Stimme hören und war angeekelt von ihrer Arroganz. Glaubte sie wirklich, sie
könne ihm sagen, was er zu tun habe? Ihn herumkommandieren, als ob er einer
ihre Dienstboten sei? Ihm war übel vor lauter Abscheu – aber trotzdem
blieb sein Ausdruck ungerührt.
„So
wird das hier ablaufen, du Nutte. Du wirst eine ganze Weile warten – etwa
eine Ewigkeit. Du wirst meinen Sohn nicht zu Gesicht bekommen.” Er blickte den
Arzt an, einen älteren Mann, der neben Leana stand. „Sie hat kein Recht, hier
zu sein,” sagte er. „Wenn Sie diesen Raum betreten sollte, werde ich Sie und
das Krankenhaus verklagen. Haben Sie mich verstanden?”
Der
Arzt hatte keine andere Wahl; er erklärte sich einverstanden.
Antonio
schaute auf Leana, sah den Schmerz in ihrem Gesicht, den Hass in ihren Augen
und fragte sich, ob Lucia recht gehabt hatte. Er fragte sich, ob diese
Redman-Hure mit Mario schlief.
„Du
bist hier nicht willkommen,” sagte er zu ihr. „Geh heim zu deinem Mann.”
Als
er wegging, stellte er sich ihren Tod vor.
Er
sah sie in der Mitte einer Menge Leute stehen. Sie strahlte, sah tadellos aus,
ihre Augen waren glänzend und leuchteten in dem Strom der Kameras, die ihr
Blitze ins Gesicht schossen. Ihre Stimme war klar und strahlte Zuversicht aus,
während sie die Ansprache hielt, von der man ihm heute morgen erzählt hatte.
Und
dann sah er, wie sie in die Luft katapultiert wurde, auf die Kronleuchter zu,
wie ihr Gesicht zusammenfiel und sich aus dem eigenen Blut in einen
Heiligenschein verwandelte, wie der Kugelhagel aus dem hinteren Teil des Raumes
das zerfetzte, was einmal ihr Gesicht gewesen war.
Hinter
ihm ertönte ihre Stimme hoch und dünn: „Antonio –“
Aber
De Cicco war bereits wieder in dem Zimmer seines Sohnes. Die Tür schloss sich
hinter ihm. Für den Augenblick war er mit ihr fertig.
* * *
Michael
starrte den Mann an, der in seiner Eingangstür stand. Er war von dem
drastischen Wandel in dessen Äußerem erstaunt und sich sicher, dass er ihn
nicht richtig verstanden hatte. „Was haben Sie soeben gesagt?”
Der
Mann, der mit dem Flugzeug aus Los Angeles gekommen war, um sich mit Michael zu
treffen, legte einen Finger auf die Lippen und bedeutete Michael, ihm aus der
Wohnung und in den Gang zu folgen.
„Beeilung,”
flüsterte er. „Meine Maschine geht in einer Stunde, und ich werde sie
Ihretwegen nicht verpassen. Mir hängt dieser ganze Blödsinn zum Hals raus. Ihr
Vater ist verrückt. Ich mach’ mich auf und davon.”
Michael
war plötzlich wachsam und folgte dem Mann bis zum Ende des Flurs, von wo aus er
eine beleuchtete Fahrstuhlwand sah, ein Fenster, das den Blick auf Manhattan freigab,
sowie eine hohe Topfpflanze, die glänzte, als habe man sie gerade gebohnert.
Der
Mann trat ans Fenster, lehnte sich
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