Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
jetzt, dass sich Eifersucht in ihm regte. Zog man De
Ciccos Lebensweise in Betracht, dann war es zudem merkwürdig, dass ihr Vater
das verstand.
„Hätten
Sie vielleicht etwas zu trinken für mich?” fragte George. „Ich bin selber noch
ein bisschen durcheinander.”
Durcheinander
wegen De Cicco?
Sie
gingen in das große Zimmer mit den hohen Fenstern und roten Vorhängen, seinen
getäfelten Mahagoniwänden, beleuchteten Gemälden und in Leder gebundenen
Büchern. Michael deutete auf die Stühle aus Rosenholz in der Mitte des Raums
und bat George, Platz zu nehmen. „Was möchten Sie?”
„Scotch,
wenn Sie welchen haben,” sagte George.
Michael
stand an der ihm unbekannten Bar, sein Blick schweifte über die Reihen von
schimmernden Flaschen, tief eingeätzten Fabergé-Gläsern und einen glänzenden,
aber leeren Eiskübel. Seit ihrem Einzug hatte Michael diese Bar nur einmal
benutzt, und es dauerte einen Moment, bis er die richtige Flasche gefunden
hatte; sie war halbvoll, ihr Etikett war zerkratzt, als ob sie schon einmal die
Runde gemacht hatte. Du bist ein ganz
gerissener Hund, nicht wahr, Dad? Während er eingoss, fragte er sich, wo in
diesem Zimmer die Mikrofone wohl versteckt waren. Wer belauschte sie im
Augenblick? Spocatti? Sein Vater? Beide?
Mit
den Getränken in der Hand ging er durch den Raum und bemerkte, dass Redman ihn
beobachtete. Sein Blick war abschätzend, als ob er jemanden ansah, den er schon
jahrelang nicht mehr gesehen hatte.
Michael
gab ihm seinen Drink. „Stimmt etwas nicht?” fragte er.
George
schüttelte den Kopf. „Nein,” sagte er. „Es tut mir Leid. Sie erinnern mich
lediglich an jemanden, den ich vor langer Zeit einmal kannte.”
Michael
setzte sich ihm gegenüber. Sein Interesse war geweckt. „Wer war das?”
„Sie
hieß Anne,” sagte George. „Sie sehen ihr sehr ähnlich.”
Michael
versuchte, seine Gefühle zu kontrollieren. Er konnte nicht glauben, dass dieser
Mann soeben seine Mutter erwähnt hatte. Sein ganzes Leben lang hatte er sich nach
Informationen über sie gesehnt. Er wollte Dinge erfahren, die nur diejenigen
wissen konnten, die ihr nahe gestanden hatten, aber sein Vater sprach äußerst
selten von ihr. Er dachte an die Filme, die er sich heute morgen angesehen
hatte, und ihm war klar, obwohl sie mithilfe flüchtiger Szenen eine Brücke zur
Vergangenheit schlugen, die der Erinnerung Nahrung gab, konnten sie doch
niemals das vermitteln, was die persönliche Erinnerung eines Menschen einem
nahe bringen konnte. Und somit drang er weiter in George ein.
„Waren
Sie miteinander befreundet?”
Die
Trauer in Georges Gesicht war mehr als deutlich. „Ja,” sagte er. „Ich denke
schon, dass Anne und ich miteinander befreundet waren. Es gab sogar eine Zeit,
da standen wir uns nahe. Aber etwas geschah, und ich habe sie nie wieder
gesehen. Das war vor Jahren.”
Michaels
Herz schlug heftig. Er war hin- und hergerissen. Wenn das, was sein Vater ihm
gesagt hatte, stimmte, dann war George Redman der Mörder seiner Mutter. Er
hatte ein Gewehr in die Hand genommen und ihre Reifen zerschossen; und dann war
sie von jener Brücke in den Tod gestürzt. Aber er verstand auch, dass George
von der Komplexität der sich hier entwickelnden Zusammenhänge keine Ahnung
hatte. Und da George ihm mehr über seine Mutter erzählen könnte, als es sein
eigener Vater jemals tun würde, entschloss er sich, dieses Frage- und
Antwortspiel so weit wie möglich auszureizen, und zwar ungeachtet irgendwelcher
Konsequenzen.
„Was
für ein Mensch war sie?”
„Darüber
brauchen wir nicht zu sprechen.”
„Es
kann sein, dass Leana erst in ein paar Stunden zurückkommt,” sagte er. „Ich bin
an dieser Geschichte interessiert.”
„Wir
können uns über etwas anderes unterhalten, zum Beispiel über Ihre und Leanas
Heirat.”
„Leana
und ich sind überein gekommen, dass wir das mit Ihnen und Elizabeth gemeinsam
besprechen.” Er streckte die Hände aus. „Was kann ich sagen?” sagte er. „Sie
haben mich neugierig auf sie gemacht.”
George
schien das einzuleuchten und gab nach. „Sie war wunderschön,” sagte er. „Ich
kannte sie nicht lange und sah sie nur selten, aber es hat eine Zeit gegeben,
da hätte ich alles für sie getan.”
„Waren
Sie ein Paar?”
Die
Dreistigkeit dieser Frage traf George unvorbereitet. Er gewahrte die verzückte
Aufmerksamkeit in Michaels Gesicht und leerte sein Glas. „Als ich Anne
begegnete, war sie verheiratet, und ich habe das
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