Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
Wirklichkeit
gewesen war. Als er am vierten Tag erwachte, lag das Krankenzimmer im Schatten.
Er nahm wieder Geräusche wahr. Er hörte das schwache Brummen einer Klimaanlage,
das bekannte Klopfen von Regen gegen ein Fenster, das er nicht sehen konnte. Er
drehte den Kopf.
Versuchte,
den Kopf zu drehen.
Die
Bewegung verursachte einen stechenden Schmerz in seinem gesamten Körper. Er
stöhnte.
Vom
anderen Ende des Zimmers, jemand, eine Frau: „Eric?”
Seine
Lippen öffneten sich. Sie fühlten sich ebenso trocken und geschwollen an wie
seine Zunge und sein Hals. Es kostete ihn enorme Anstrengung, dieses eine Wort
herauszupressen: „Celina?”
„Nein,”
sagte die Stimme. „Ich bin’s, Diana.”
Sie
durchquerte den Raum und setzte sich in den weißen Plastikstuhl neben seinem
Bett. Nachdem sie einen Knopf gedrückt hatte, um die Krankenschwester zu
verständigen, ergriff sie seine Hand und hielt sie in ihrer. „Du wirst wieder
gesund werden,” sagte sie. „Es wird nicht leicht sein, aber du bist jetzt bei
Bewußtsein, und du wirst es schaffen.”
Er
wollte erneut etwas sagen, aber Diana legte einen Finger auf seine Lippen.
„Versuch, nicht zu sprechen oder dich zu bewegen. An deinem Bein wurde
operiert. Es ist jetzt in einem Gips, aber die Ärzte sagen, dass es
letztendlich heilen wird. Du musst dich jetzt bloß ausruhen und dich aufs
Gesundwerden konzentrieren. Ich kümmere mich um den Rest.”
Die
Krankenschwester betrat das Zimmer. Diana wandte sich ihr zu. „Er ist bei
Bewußtsein,” sagte sie. „Und er hat Schmerzen. Können Sie ihm etwas dagegen
bringen?”
Die
Frau ging zum Bett und warf einen Blick auf Erics Krankenblatt. „Es tut mir
Leid,” sagte sie. „Seine nächste Injektion bekommt er erst um vier.”
„Mir
ist völlig egal, ob hier steht, dass seine nächste Injektion erst in einer
Woche fällig ist,” sagte Diana monoton. „Er hat Schmerzen. Ein Teil Ihrer
Arbeit ist Schmerzkontrolle. Jetzt machen Sie entweder und kontrollieren diese
Schmerzen, oder ich werde mich an Ihren Vorgesetzten wenden.” Sie legte den
Kopf schief. „Und das möchten Sie doch nicht, oder?”
Die
Schwester sagte, sie werde mit dem Arzt sprechen, und verließ das Zimmer.
Diana
drehte sich wieder Eric zu und sah, dass er sie unverwandt anschaute. „Alles
wird gut,” sagte sie. „Du hast nur ein blaues Auge und einen Kratzer auf der
Stirn. Mir hat man schon übler zugesetzt.”
Er
hätte gerne gewusst, ob das stimmte. Obschon er Diana bereits seit etlichen
Jahren kannte, wusste er überraschend wenig über sie. Er wusste, dass sie aus
einer Kleinstadt in Maine stammte, wusste, dass ihr Vater früh gestorben war,
und wusste, wie schwer es für sie gewesen war, sich durchs College zu arbeiten
und ihren Juraabschluss zu machen. Abgesehen davon war sie nur eine jener
vielen gesichtslosen Personen, die er in seinem bisherigen Leben kennen gelernt
hatte. Allerdings war diese gesichtslose Person auch in ihn verliebt und
kümmerte sich um ihn. Er fragte sich, ob sie wohl wüsste, dass er sie nicht
liebte, dass er sie nie geliebt hatte und dass er sie nie lieben würde, dass er
einzige Grund, weshalb er in ihr Leben getreten war, der war, dass er sich
einsam fühlte – und Celina eifersüchtig machen wollte.
Er
hatte Gewissensbisse. Es war ganz offensichtlich, dass Diana ihm das Leben
gerettet hatte. Er sollte ihr für das, was sie für ihn getan hatte, dankbar
sein. Und das war er auch, wenngleich nicht so, wie sie es von ihm erwartete.
Eric liebte noch immer Celina.
Diana
lächelte auf ihn hinab und drückte noch immer seine Hand. Sie war eine starke
Frau – er wusste das –, und obwohl er sie nie wirklich gemocht
hatte, respektierte er sie. Sie war eine gute Anwältin. Sie schien ein guter
Mensch zu sein. Aber er fragte sich, ob sie immer noch ein guter Mensch wäre,
wenn er mir ihr Schluss machen würde.
Diana
stand auf. „Ich muss dir etwas zeigen,” sagte sie und machte ein Licht an.
Eric
zuckte vor Schmerzen zusammen. Erst als sich seine Augen angepasst hatten, sah
er die Blumen. Der Raum war sprichwörtlich angefüllt mit Blumensträußen. Diana
pflückte eine Rose aus einer Vase, und Eric schaute sie fragend an.
„Viele
Leute machen sich Sorgen um dich,” sagte sie. „Diese Blumen sind während der
vergangenen vier Tage hier angekommen. Aber wir haben keinen Platz mehr. Ich
hoffe, du hast nichts dagegen, aber ich habe die Krankenschwester gebeten, all
das, was noch kommt, an jene
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