Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
er. „Das wird Ihnen helfen.”
Er verstaute die leere Spritze in dem Abfallbehälter für Biogefahr und berührte
Erics Schulter. „Sie werden wieder gesund,” sagte er, „aber ich werde Sie auch
nicht anlügen. Das Schlimmste steht Ihnen noch bevor. Es wird Monate dauern, bis
Sie Ihr Bein wieder ganz normal bewegen können – und das wird nur
geschehen, wenn Sie sich in der Rehabilitation sehr anstrengen. Ruhen Sie sich
also gut aus. Sie werden Ihre ganze Kraft brauchen.”
* * *
Er
erwachte um Mitternacht.
Der
Regen hatte aufgehört, der Himmel war wolkenlos und der Mond schien durch das
Fenster seinem Bett gegenüber in sein Zimmer.
Mit
den Augen folgte er der Länge des Gipses bis hinunter zu seinem Fuß. Im
Mondlicht sahen die Quetschungen an seinen Zehen schwarz aus. Er bemühte sich,
die Zehen zu bewegen, konnte es nicht und versuchte es angestrengter. Sie
blieben starr.
Eric
schloss die Augen und betete zu einem Gott, den es für ihn schon jahrelang
nicht mehr gegeben hatte. Er machte Versprechungen, deren Einhaltung von keinem
Menschen erwartet werden konnte, und öffnete die Augen. Er versuchte es erneut,
aber die Zehen blieben reglos. Es kam ihm so vor, als seien sie nicht länger
Teil seines Körpers. Er fragte sich, ob er wohl je wieder gehen könne.
In
diesem Moment fasste er eine Entscheidung. Er griff nach dem Telefon, das auf
dem Tischchen neben ihm stand, verzog das Gesicht aufgrund eines stechenden
Schmerzes in seiner linken Schulter, und wählte. Nach einem Moment meldete sich
eine bekannte Stimme.
Nachdem
er genauestens erklärt hatte, was passiert war, beschrieb Eric dem Mann exakt,
was er von ihm wollte. Einen Augenblick lang war Stille.
„Sind
Sie sicher?” sagte der Mann.
„Ganz
sicher,” sagte Eric.
„Und
Sie sind sich bewusst, dass Sie Ihre Meinung nicht mehr ändern können, sobald
ich die Dinge in die Wege geleitet habe? Wir benutzen Verbindungen, von denen
viele anonymer Natur sind. Ihre Entscheidung ist somit nicht widerrufbar. Das
muss Ihnen bewusst sein.”
„Ich
verstehe,” sagte Eric. „Deswegen
habe ich Sie angerufen.”
„Gibt
es eine besondere Art, auf die ich das Problem lösen soll?”
„Wie
Sie das anstellen, ist mir völlig egal, aber ich erwarte, dass sie leidet,
bevor sie stirbt.”
„Leiden
lassen kostet extra.”
„Dann
setzen Sie es mit auf die Rechnung.”
„Wir
melden uns,” sagte der Mann. „Und machen Sie sich keine Sorgen: Wir machen ihr
Leben zu einer Hölle auf Erden.”
KAPITEL
23
Das
Telefon läutete dreimal, bevor Leana auf die Uhr schaute, die auf ihrem
Nachttisch stand. Es war 7.15 Uhr, und ihr Apartment war vom Licht der
Morgensonne hell erleuchtet.
Sie
setzte sich im Bett auf und fragte sich, wer sie wohl um diese Zeit anrufen
könnte. Sie spielte einige Möglichkeiten durch und musste zugeben, dass der
einzige Mensch, mit dem sie jetzt wirklich gerne reden würde, Michael Archer
war. Aber er rief nur ganz selten an. In letzter Zeit war er fast immer einfach
vorbeigekommen.
Als
das Telefon zum fünften Mal klingelte, nahm Leana ab – und die
Verbindung wurde abgebrochen. Seit
gestern Abend war dies nun schon zum zweiten Mal passiert: Jemand hatte
angerufen und dann aufgelegt. Sie fragte sich, ob Mario irgendwie an ihre
Nummer gekommen war und anrief, um zu sehen, ob sie zu Hause und in Sicherheit
war, aber nicht mit ihr sprechen wollte. Doch sie verwarf diesen Gedanken. Wenn
Mario mit ihr sprechen wollte, würde er mit ihr sprechen.
Sie
legte auf, glitt unter die Decke und hätte gerne gewusst, wie es ihm ging. Seit
der Nacht, in der Eric zusammengeschlagen worden war, hatte sie ihn nicht mehr
gesehen; und seit sie die Nachricht in dem Restaurant erhalten hatte, hatte sie
auch nichts mehr von ihm gehört.
Obwohl
sie wütend auf ihn war, weil er sie angelogen hatte, vermisste sie ihn –
aber nicht genug, um ihn anzurufen. Das würde sie Mario überlassen.
Sie
sah sich in ihrer neuen Wohnung um.
In
nur ein paar Tagen hatten sie und Michael Archer die Mansarde in einen Ort
verwandelt, den sie nun voller Glück ihr Heim nennen konnte. Die Wände waren
nicht länger in einem stumpfen, leblosen Grau – sie waren jetzt in einem
hellen Elfenbein gestrichen. Das Mobiliar, das der frühere Bewohner
zurückgelassen hatte, war verschwunden – Michael hatte es wegschaffen
lassen –, und die Fensterscheiben mit den Sprüngen waren durch neues Glas
ersetzt. Zwar gab es noch eine
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