Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
ganze Menge zu tun – Möbel mussten
angeschafft, Vorhänge angebracht und die Böden erneuert werden –, doch
freute sie sich dennoch auf die Arbeit, vielleicht weil sie wusste, dass
Michael ihr helfen wollte.
Sie
fragte sich, ob er wohl später vorbeischauen würde. Seitdem sie zusammen zu
Abend gegessen hatten, war er jeden Morgen gekommen und hatte mit dem Streichen
geholfen. Ihre Tage verbrachten sie mit Streichen und Reden und Musikhören; als
Einweihungsgeschenk hatte Michael ihr einen iPod und ein Bose SoundDock
gekauft.
Sie
erfuhr von seinem Leben in Hollywood, wie schwer es für ihn war, zu schreiben
und seinen ersten Roman zu veröffentlichen, sowie die Einzelheiten zum Tod
seiner Eltern.
„Wie
ist es ohne sie?” fragte sie.
„Ich
vermisse meine Mutter,” sagte er. „Sie starb, als ich noch klein war. Aber
meinen Vater?” Er zuckte mit den Schultern. „Nicht so sehr. Wir haben uns nicht
verstanden.”
Die
Abende waren am besten. Nachdem sie Feierabend gemacht hatten, räumten sie auf
und gingen aus.
Michael
zeigte Leana eine Seite von New York, die sie bislang noch nicht gekannt hatte.
Sie aßen in kleinen Familienrestaurants im Village zu Abend, besuchten
Poetikvorlesungen und streiften durch die vielen Kunstgalerien. Sie sahen ein
Schauspiel im Cherry Lane Theater, tranken ein Bier und spielten eine Runde
Darts im Kettle of Fish, spazierten durch die Straßen, blickten hinauf zu den
Gebäuden und diskutierten, wie anders deren Architektur in der Nacht doch war.
Wenn
Leana an ihren neuen Job dachte, an die Möglichkeiten, die er ihr eröffnete,
und an die Gefühle, die sie für Michael hatte, spürte sie, wie sie sich auf
eine ihr unbekannte Art von Glück zubewegte. Seit ihrer Beziehung zu Mario
hatte sie sich nicht mehr so lebendig gefühlt. Sie lebte in ihrer eigenen
Wohnung. Bald würde sie ihre Arbeit für Louis Ryan aufnehmen, und sie hatte
einen wunderbaren Mann an ihrer Seite. Zum ersten Mal seit Jahren erlebte sie
etwas, das ihr Hoffnung machte. Leana war fest entschlossen, dass sie das alles
nicht so leicht loslassen würde.
Das
Telefon klingelte wieder. Leana überlegte, ob sie es ignorieren solle, setzte
sich dann aber im Bett auf und riss den Hörer von der Gabel. „Hallo,” sagte
sie.
„Sehen
Sie aus dem Fenster.”
„Wer
sind Sie?”
„Sehen
Sie einfach aus dem Fenster. Machen Sie schon, bevor ich einen Strafzettel
bekomme.”
Louis Ryan?
Leana
stieg aus dem Bett und ging durch das Zimmer. Sie war mit dem Auspacken noch
nicht fertig und musste deshalb Kartons aus dem Weg schieben, um ans Fenster zu
kommen.
Sie
schob die Jalousien zur Seite.
Unten
war Louis, und er parkte in der Fünften in der zweiten Reihe. Er stand neben
einem schnittigen neuen Mercedes mit Flügeltüren; sein grauer Haarkranz bewegte
sich in der aufkommenden Brise.
Er
hielt die Arme erhoben und weit von sich gestreckt. In der einen Hand hielt er
einen Strauß Rosen, in der anderen ein Mobiltelefon. Leana schob das Fenster
auf und lehnte sich hinaus. „Sie sind verrückt,“ sprach sie in ihr Telefon.
„Was machen Sie hier?”
„Ich
bringe Ihren neuen Wagen vorbei,” sagte Louis. „Das ist meine Art, mich dafür
zu bedanken, dass Sie die Stelle angenommen haben.”
Sie
war begeistert. „Mein neuer Wagen – das kann doch nicht Ihr Ernst sein!”
„Das
ist mein voller Ernst,” sagte er. „Das Auto gehört Ihnen – ebenso wie
meine Wertschätzung. Sie werden eine einflussreiche Position innehaben. Dieses
Auto passt zu dem Image dieser Position. Die Leute erwarten, dass Sie so etwas
wie das hier fahren.”
„Sie
werden mich deswegen hassen. Sehen Sie sich bloß diese Türen an!”
Louis
zuckte mit den Schultern. Er warf die Rosen und das Telefon auf das
Armaturenbrett und drückte die Tür nach unten, bis sie einrastete. Er winkte
ein Taxi heran. Während eines neben ihm zum Halten kam, deutete er mit dem Kopf
auf den schimmernden Mercedes. „Der Motor läuft,” rief er. „Ich hatte keine
Zeit, einen Parkplatz für den Wagen zu suchen. Wenn Sie nicht möchten, dass ihn
jemand stiehlt, dann schlage ich vor, Sie kommen herunter und suchen sich einen
Platz, wo Sie ihn abstellen können.”
„Aber
ich bin noch nicht angekleidet.”
Das
war Louis Ryan gleichgültig. Er war schon weg.
Leana
zog sich schnell an. Sie ging an ihre Kommode, zog ein Paar Shorts an, tauschte
ihr Nachthemd gegen ein sauberes, weißes T-Shirt und schlüpfte in ein Paar
ausgetretener Mokassins. Sie
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