Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
Michael immer einen
Vorwand – ganz gleich, ob er sein Apartment verließ oder in es
zurückkehrte –, stehen zu bleiben und sich umzusehen.
Heute
bestand der Vorwand darin, die ältere Frau mit dem rostigen Einkaufswagen zu
begrüßen. Wenn er das nicht getan hätte, wären ihm die drei Männer, die ihn aus
dem Mercedes heraus beobachtet hatten, nie aufgefallen. Und wenn er nicht die
Treppen zu seiner Wohnung hinaufgerannt wäre und aus seinem einzigen Fenster
gesehen hätte, dann hätte er jene Männer auch nicht aus dem Mercedes aussteigen
und die Straße überqueren sehen.
Er
erreichte die First Avenue und blickte über die Schulter. Die Männer waren ihm
noch immer auf den Fersen, dichter als zuvor, und bahnten sich ihren Weg durch
die Menschenmenge auf dem Gehsteig. Michael war klar, solange sie ihn nicht aus
den Augen verlieren würden, konnten sie ihn zwingen, blindlings weiterzulaufen,
und zwar ohne dass er wissen konnte, ob eine Straße oder ein Durchgang ihn in
eine Sackgasse führen würden.
Plötzlich
spürte er eine überwältigende Wut in sich aufsteigen. Die hatten seinen Hund
umgebracht. Dachten die etwa, sie könnten auch ihn töten? Hier und jetzt, wo
alle zuschauen konnten?
Und
dann dachte er an die Frau, die noch nicht vor allzu langer Zeit vor seinem
Apartment erschossen wurde. Natürlich konnten die ihn hier töten. In dieser
Menge konnten sie drei oder vier Schüsse mit Schalldämpfern auf kurze
Entfernung abgeben und in dem darauf folgenden Chaos verschwinden.
Er
rannte noch schneller, und sein Verstand arbeitete fieberhaft. Warum waren die
hier? Immerhin hatte er noch eine ganze Woche, um das Geld zu beschaffen. Er
glaubte nicht, dass sie ihn umzubringen gedachten, aber er war sich sicher,
dass sie ihm wehtun wollten.
Er
rannte jetzt so schnell, dass die Leute auf der Straße ihm Blicke zuwarfen,
die Verärgerung, Befremdung und
sogar einen Anflug von Angst verrieten. Die südliche First Avenue war ein Mekka
von Läden und Geschäften. Wenn er irgendwie unbemerkt in einen oder eines von
ihnen eintauchen könnte, würde er ein paar Minuten warten und dann irgendwo
untertauchen, wo er sich in ziemlicher Sicherheit wähnen konnte – in
Leana Redmans Apartment.
Aber
er verwarf diesen Gedanken. Ab dem Augenblick, wo sie ihn nicht mehr sehen
konnten, würden sie jeden Laden nach ihm durchsuchen.
Die
Männer waren zwanzig Meter hinter ihm. Verzweiflung kam in ihm auf. Michaels Beine begannen sich zu
verkrampfen. Er rempelte eine Frau an, die aus einem Waschsalon kam, und
katapultierte ihre saubere Wäsche – einen wahren Regenbogen – hoch
in die Luft. Er stolperte, fing sich wieder und begann sich zu fragen, ob all
dies irgendeinen Sinn hatte. Warum
weglaufen? dachte er. Früher oder
später erwischen sie mich doch.
Aber
er würde nicht aufgeben.
Er
kam an eine Kreuzung. Die Ampel war rot. Autos rasten vorbei. Er konnte nicht
über die Straße. Er schaute nach links, nach rechts ... und war erstaunt, einen
Transporter um die Ecke biegen und vor ihm mit quietschenden Reifen zu einem
Halt kommen zu sehen.
Autos
hupten, und da war der plötzliche Gestank von verbranntem Gummi in der Luft.
Dann wurde die Beifahrertür des Transporters aufgestoßen. Michael erkannte den
Fahrer in Sekundenschnelle.
„Steigen
Sie ein!” brüllte Vincent Spocatti.
Michael
tat, wie ihm geheißen, und der Wagen schnellte nach vorne.
Er
versuchte, wieder normal zu atmen. Die Muskeln in seinen Beinen und seinem
Kreuz schmerzten. Er sah Spocatti an, sah, wie er in den Rückspiegel schaute,
sah die Entschlossenheit in seinen aufeinandergepressten Kiefern und wusste,
dass es noch lange nicht vorbei war.
„Die
verfolgen uns, nicht wahr?”
Spocatti
gab keine Antwort. Er riss den Transporter nach links.
Michael
blickte aus dem Heckfenster. Ein Taxi folgte ihnen; sein Abstand war gefährlich
nahe. Er wandte sich wieder Spocatti zu. „Können Sie die abschütteln?”
„Sie
halten dem Fahrer wahrscheinlich eine Waffe an den Kopf. Seien Sie still, damit
ich mich konzentrieren kann.”
„Eine
Frage.”
Spocatti
knirschte mit den Zähnen.
„Sie
sind mir gefolgt. Das ist ganz offensichtlich. Warum?”
„Ihr
Vater hat mich dazu beauftragt.”
„Weshalb?”
„Das
sind zwei Fragen,” sagte Spocatti. „Wenn Sie mir noch eine weitere stellen,
dann werfe ich Sie raus.”
Sie
sausten über die Einundzwanzigste Straße. Der Verkehr war gefährlich dünn.
Michael
blickte wieder aus dem Heckfenster
Weitere Kostenlose Bücher