Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
ihnen in flackernden Vignetten vorüber, die von dem Autofenster
eingerahmt wurden, aber Michael achtete nicht darauf. Er saß auf dem Rücksitz
zwischen zwei Männern, die mit ihren straff zurückgekämmten, schwarzen
Pferdeschwänzen und überproportionierten Körpern aussahen, als seien sie
Zwillinge. Der andere, ältere und offensichtlich erfahrenere der drei Männer,
saß vorne, lächelte Michael über die Schulter hinweg an und presste eine Waffe
in die Rippen des Taxifahrers.
Michael
war wie gelähmt vor Angst. Da war ein Dröhnen in seinen Ohren, das nichts mit
dem Motorengeräusch des Taxis zu tun hatte. Wenn
die mich nicht umbringen, dann werden sie mir sicher sehr wehtun. Sehr wehtun.
Er
schloss die Augen. Sein Kopf und seine Schulter schmerzten von dem Sturz. Alle
Kraft schien aus seinem Körper gewichen. Er fragte sich, wie viel mehr von all
dem er wohl aushalten könnte. Wo war seine Grenze? Wo auch immer sie sein
mochte: Michael wusste, dass er ihr unaufhörlich näher kam.
Der
Taxifahrer, ein Iraner, flüsterte etwas in einer Sprache, die Michael nicht
verstand. Er lauschte. Der Mann wiederholte denselben Satz immer wieder. Es war
eine Art Gesang. Und dann dämmerte es Michael: An diesem Tag hatte der Mann dem
Tod bereits einige Male gegenübergestanden – er betete.
Michael
fragte sich, was für ein Gott sie aus dieser Lage befreien könnte.
Durch
das geöffnete Fenster konnte er das abnehmende Heulen der Polizeisirenen hören.
Der Taxifahrer hatte sie weit hinter sich gelassen. Michael hätte gerne
gewusst, wo Spocatti abgeblieben war. Das Taxi kam vor seinem Apartmentgebäude
zum Halten. Cain sagte etwas zu seinen Leuten auf Französisch und blickte
Michael an. „Passen Sie gut auf,” sagte er. „Wenn Sie noch einmal zu fliehen
versuchen, werden wir Sie töten. Verstehen Sie mich? Ich selbst werde Ihnen
eine Kugel in den Kopf jagen.”
„Das
bezweifle ich,” sagte Michael. „Ich habe noch eine Woche, um das Geld
aufzutreiben. Wenn Santiago mich umbringen lassen wollte, dann hätten Sie mich
getötet, als ich aus dem Transporter –“
Er
konnte den Satz nicht vollenden, da man ihm einen fürchterlichen Schlag in den
Magen versetzte. Michael krümmte sich vor Schmerzen, und zwei Fäuste landeten
hart in seinem Kreuz.
Einen
Augenblick lang konnte er sich weder bewegen, noch atmen; und dann packte Cain
einen Haarbüschel und brachte ihn mit einem Ruck in eine aufrechte Stellung.
„Hören
Sie zu,” sagte er, und sein Akzent war jetzt stärker als zuvor. „Für mich wäre
es sehr einfach, Santiago zu berichten, dass Sie eine Waffe auf mich gerichtet
hätten und dass ich Sie in Notwehr habe erschießen müssen. Glauben Sie ja
nicht, ich würde es nicht tun.”
Michael
spuckte ihm ins Gesicht.
Cain
holte mit der Hand aus und wollte ihn gerade schlagen, als die Stimme des
Taxifahrers plötzlich lauter wurde und sein Gebet hysterische Züge annahm. Cain
blickte auf den Mann und griff in seine Jackentasche. Er holte einen
Schalldämpfer hervor, schraubte ihn auf die Waffe und schaute zum Fenster
hinaus. Auf der ganzen Straße sah kein Mensch in ihre Richtung.
Blitzschnell
legte er eine Hand auf den Mund des Fahrers, während er mit der anderen die
Waffe in den Bauch des Mannes drückte und vier Schüsse in rascher Folge
abfeuerte. Die Augen des Taxifahrers vergrößerten sich und verrieten Trauer und
Fassungslosigkeit; ein schwerer Atemstoß entwich seinen Lippen, und er sackte
tot nach vorne.
Cain
wandte sich an Michael.
„Ich
sage Ihnen jetzt, wie die Sache abläuft. Wir werden die Straße überqueren und
in Ihre Wohnung gehen; und Sie werden sich so verhalten, als ob wir Freunde
wären. Wenn Sie das nicht tun, wenn Sie nur eine falsche Bewegung machen, dann
schieße ich Ihnen ein Loch in den Kopf. Alles klar?”
Michael
war blass vor Angst. Er nickte.
Zufrieden
drehte er sich dem Mann zu Michaels Rechten zu. „Du kommst mit mir,” sagte er.
„Und wenn du auch nur spüren solltest, dass er irgendetwas vorhat, dann möchte
ich, dass du ihn niederschießt. Verstanden?”
Der
Mann lächelte. Er hatte verstanden.
„Und
du,” sagte Cain zu dem anderen Mann. „Ich möchte, dass du den Fahrer und das
Taxi verschwinden lässt. Sieh zu, dass du sie ein paar Straßen weiter loswirst
und komm dann schnell zurück.” Er öffnete die Tür und trat in die Morgensonne.
„Ich brauche dich vielleicht, um noch eine Leiche zu entsorgen.”
* * *
Sie
betraten Michaels
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