Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
erdnussförmigen Augen auf Quentin hinunter. Angeblich hatten Schafe diese Augenform entwickelt, um besser aus den Augenwinkeln heraus nahende Wölfe zu entdecken. Sie ermöglichten ein besseres peripheres Sehen. Doch ihr Blick wirkte dadurch beunruhigend.
»Ein hoher Anspruch.«
»Fillory verlangt das, was es braucht. Und du, Quentin? Was brauchst du? Was verlangst du?«
Die Frage überraschte Quentin. Er war von Ember Tadel und pseudosokratische Frage-Antwort-Spielchen gewöhnt, doch stattdessen erhielt er ein seltenes Juwel: eine gute Frage. Ja, was wollte er? Er hatte zurück nach Fillory gewollt und es geschafft. Er hatte geglaubt, sich nach Schloss Whitespire zurückzusehnen, aber inzwischen war er sich nicht mehr so sicher. Der Schreck, Fillory um ein Haar verloren zu haben, saß tief, aber nun war er ja zurück. Er wollte die Suche erfolgreich beenden. Er wünschte sich ein aufregendes, bedeutendes und sinnvolles Leben. Und er wünschte sich, dass es Julia besserginge. Er hätte alles getan, um Julia zu helfen, wenn er nur gewusst hätte, was.
»Ich glaube, es ist das, was Ihr gesagt habt«, sprach Quentin. »Ich möchte ein Held sein.«
Ember wandte sich um in Richtung der aufgehenden Sonne.
»Dann sollst du deine Chance erhalten«, sagte er.
Quentin klettere auf den Felsengipfel und betrachtete an Seiner Seite den Sonnenaufgang. Er wollte Ember fragen, was es mit der Sonne auf sich hatte, was sie war und was dort draußen am Rand der Welt geschah, oder besser: ob Fillory überhaupt einen Rand hatte. Doch als er sich umdrehte, um Ihn zu fragen, stand er allein auf dem Hügel. Ember war verschwunden.
Mist, gerade jetzt, wo es interessant wurde! Quentin drehte sich langsam einmal um die eigene Achse, doch er fand keine Spur von dem Widder. Es war, als hätte Er sich in Luft aufgelöst. Na schön. Doch nachdem Er fort war, vermisste Quentin Ihn beinahe. Es hatte etwas Besonderes, sich in der Gegenwart eines göttlichen Wesens zu befinden, auch wenn es sich bei der Gottheit um Ember handelte.
Quentin reckte sich dort oben auf dem höchsten Punkt der Insel, sprang dann vorsichtig von dem Felsen hinunter und machte sich auf den Weg bergab zurück zum Strand. Er konnte es kaum erwarten, den anderen von seinem Erlebnis zu erzählen, obwohl sich die Begebenheit bereits wie ein Traum anfühlte, ein frühmorgendlicher Traum in halbwachem Zustand, wenn man, verheddert in Kissen und Decken, das Morgenlicht durch die geschlossenen Gardinen erblickt. Ein Traum, an den man sich rein zufällig Stunden später erinnerte, nur wenige Sekunden lang, wenn man am Ende des Tages wieder einschlief. Quentin fragte sich, ob außer ihm schon jemand aufgestanden war. Vielleicht konnte er sich noch einmal hinlegen.
Ihm hätte auffallen müssen, dass sich etwas verändert hatte, aber er war bei dem Aufstieg abgelenkt gewesen. Erstens war er praktisch gerannt, und zweitens hatte er sich mit einer Gottheit unterhalten. Außerdem war er noch nie ein sorgfältiger Beobachter von Flora und Fauna gewesen. Eine besondere Buche oder eine ungewöhnliche Ulme wären ihm niemals aufgefallen, weil er nicht einmal den Unterschied zwischen beiden kannte.
Trotzdem hatte er nach einigen Minuten das Gefühl, auf einem anderen Weg hinuntergekommen zu sein, als er hinaufgestiegen war, weil die Gegend etwas steiniger wirkte als in seiner Erinnerung – das Verhältnis von Steinen zu Pflanzen und Sand zu Gras war nicht dasselbe wie vorhin. Doch er ließ sich davon nicht allzu sehr irritieren, denn ansonsten hätte er den Hügel wieder hinaufklettern und auf der anderen Seite einen neuen Weg herunter finden müssen, was er unbedingt vermeiden wollte. Außerdem achtete er darauf, dass er die aufgehende Sonne zur Rechten hatte, wie man sich ja wohl am besten orientierte. Schlimmstenfalls konnte er hinunter ans Meer gehen und der Küste folgen. Auf diese Weise konnte er das Lager keinesfalls verfehlen. Bis jetzt hegte er noch die Hoffnung, das Frühstück nicht zu verpassen.
Was er jedoch nicht ignorieren konnte, obwohl er es so lange wie möglich versuchte, war, dass die Schatten der Pflanzen und Steine nicht kürzer wurden – wie man es bei Sonnenaufgang erwartet hätte. Stattdessen wurden sie länger! Das wiederum hätte bedeutet, dass die orangerote Glut am unteren Himmel kein Sonnenaufgang, sondern ein Sonnenuntergang war.
Das hätte geheißen, dass er sich auf der falschen Seite der Insel befand. Aber das war unmöglich! Am seltsamsten
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