Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
einen langen Konferenztisch. Die Bibliothek war offenbar das Meisterstück desjenigen, der das Bauernhaus renoviert hatte. Die Decke war über drei Stockwerke hinweg zu einer Kuppel erweitert worden, so dass man in zehn Metern Höhe die Dachbalken sehen konnte. Die Strahlen der Morgensonne fielen durch hohe, schmale Fenster herein. Bücherregale bedeckten die Wände bis hoch hinauf, was absolut unpraktisch gewesen wäre, wenn nicht vor ihnen mehrere geschmackvolle Plattformen aus Eichenholz magisch geschwebt hätten, die den Suchenden an die gewünschte Stelle brachten.
Das Reden verstummte, als Julia eintrat. Neun Gesichter drehten sich zu ihr um und blickten zu ihr auf. Einige Anwesende hatten Bücher und Ordner mit Notizen vor sich liegen. Es hätte ein Meeting der Firma Geniale Magiefreaks GmbH sein können. Pouncy nahm den Platz am Kopfende ein. Am anderen Ende, ihm gegenüber, war ein Stuhl frei.
Julia zog ihn zurück und setzte sich, fast demütig. Warum sagte niemand etwas? Sie sahen sie einfach nur schweigend an, wie ein Bewährungsausschuss.
Na schön. Sie hatte sich ihren Ansprüchen gebeugt. Jetzt sollten sie mal schön ihre erfüllen. Karten auf den Tisch. Zeigt mir eure Trümpfe. Und macht euch auf was gefasst.
»Also gut«, sagte sie. »Und was machen wir jetzt?«
»Was möchtest du denn gerne machen?«
Nicht Pouncy, sondern Gummidgy hatte das Wort ergriffen. Sag du’s mir, lag es Julia auf der Zunge. Du bist doch die Hellseherin. Gummidgy hatte die Figur eines Models, groß und schlank, doch ihr Gesicht war zu lang und streng, um wirklich schön zu sein. Julia konnte ihre ethnische Herkunft nicht erraten. War sie Iranerin?
»Was immer als Nächstes kommt, nach Level zweihundertfünfzig. Level zweihunderteinundfünfzig?«
»Level zweihunderteinundfünfzig gibt es nicht.«
Julia sah Pouncy, Falstaff und Aschmodai an. Ruhig erwiderten sie ihren Blick. Aschmodai nickte.
»Aber warum gibt es kein Level zweihunderteinundfünfzig?«
»Danach kommt nichts mehr«, erklärte Pouncy. »Du kannst jetzt selbst neue Zauberformeln entwickeln. Wir tun das andauernd. Du hast jetzt alle Bausteine beisammen, das komplette Grundlagenmaterial, das du brauchst. Alles andere sind nur Abwandlungen. Ab zweihundertfünfzig arrangierst du nur noch Basenpaare auf der Doppelhelix um. Du befindest dich auf dem Powerlevelplateau.«
Julia fühlte sich irgendwie schwerelos, als würde sie schweben. Es war ein unangenehmes Gefühl, als hätte sie jemand losgebunden und sie würde davontreiben. Wie es mit Geheimnissen so war, war es nicht wirklich ein Showstopper.
»Das war’s? Mehr gibt es nicht?«
»Das war’s. Du hast alle Level erreicht, die es gibt.«
Immerhin. Mit dem, was sie gelernt hatte, konnte man einiges anfangen. Julia hatte bereits einige Ideen bezüglich Zauberformeln für extreme Temperaturen und Aggregatzustände. Plasmen, Bose-Einstein-Kondensate, so in der Richtung. Sie glaubte nicht, dass sich daran schon jemand versucht hatte. Vielleicht würde Pouncy ihr etwas Geld für die Ausrüstung vorstrecken.
»Also das tut ihr hier. Ihr arbeitet an den Permutationen.«
»Nein. Das tun wir nicht.«
»Obwohl wir schon unglaublich viele Permutationen erarbeitet haben«, wandte Aschmodai ein und übernahm das Reden.
»Als wir erkannten, dass die einzige Weiterentwicklung in einer unendlichen Serie stufenweiser Fortschritte bestehen würde, fragten wir uns, ob es eine Alternative dazu gäbe. Eine Methode, den Kreis zu durchbrechen und einen nonlinearen Fortschritt zu erzielen.«
»Nonlinear«, wiederholte Julia nachdenklich. »Ihr wollt also eine magische Singularität finden, so in etwa.«
»Genau!« Aschmodai warf Pouncy ihr breites Cheshire-Katzengrinsen zu, als wolle sie sagen: Siehst du? Ich hab dir doch gesagt, sie würde es kapieren. »Eine Singularität. Einen so radikalen Fortschritt, dass er uns in eine andere Liga der Macht katapultiert. Exponentiell größere Energien.«
»Wir glauben, dass die Magie mehr enthält als das, was wir bisher kennen«, fiel Pouncy ein. »Wesentlich mehr. Wir glauben, dass wir uns bisher nur mit dem Kleinkram aufhalten, obwohl es Kraftquellen gibt, die uns zu Großem befähigen würden. Wenn wir nur das richtige Stromnetz anzapfen könnten.«
»Das treibt ihr also hier. Ihr versucht, das große Stromnetz anzuzapfen.«
Julia erkannte, dass sie die Worte der anderen wiederholte, während sie zu begreifen versuchte, was sie meinten. Es gab also noch mehr. Seltsam,
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