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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Dunkelheit glitt er hinunter, umgeben von nichts, soweit er feststellen konnte. Das System war nicht perfekt – jedes Mal, wenn er richtig in Fahrt kam, blieb er stecken und musste sich wieder voranschieben, wobei sein Hintern laut in der Finsternis quietschte.
    In der Ferne, tief unter ihm, erschien ein Licht. Er bewegte sich nicht sehr schnell, daher hatte er genügend Zeit, es zu betrachten. Es war eine gewöhnliche Glühbirne ohne Lampenschirm an einer Backsteinwand. Das Mauerwerk war alt und unregelmäßig und hätte mal neu verfugt werden können. Unter der Glühlampe erschien eine graubraune, ganz gewöhnliche Metallflügeltür, die zu einer Schulaula hätte führen können.
    Davor stand ein Geschöpf, das zu klein zu sein schien, um vor dem Eingang zur Hölle zu wachen. Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt, mit intelligentem, schmalem Gesicht und kurzem schwarzem Haar. Er trug einen grauen Kleine-Jungs-Anzug mit weißem Hemd, aber ohne Krawatte. Er sah aus, als hätte er in der Kirche herumgezappelt und sei kurz rausgeschickt worden, um Dampf abzulassen.
    Er hatte nicht mal einen Hocker, auf dem er sitzen konnte, daher stand er so gut auf seinem Posten, wie es ein Achtjähriger eben konnte. Er versuchte zu pfeifen und schaffte es nicht. Er trat nach irgendetwas.
    Quentin hielt es für ratsam, fünf Meter vor dem Ende der Rutsche zu bremsen und anzuhalten. Der Junge beobachtete ihn.
    »Hi«, sagte der Junge. Seine Stimme klang laut in der Stille.
    »Hi«, sagte Quentin.
    Er rutschte das letzte Stück hinunter und stand so geschmeidig auf, wie er konnte.
    »Sie sind nicht tot«, stellte der Junge fest.
    »Nein, ich lebe«, antwortete Quentin. »Aber ist das der Eingang zur Unterwelt?«
    »Wissen Sie, woher ich weiß, dass Sie lebendig sind?«, fragte der Junge und zeigte an Quentin vorbei. »Wegen der Rutsche. Sie funktioniert viel besser, wenn man tot ist.«
    »Aha. Stimmt, ich bin ein paarmal hängen geblieben.«
    Quentins Haut kribbelte jetzt schon. Lebte der Junge, oder war er tot? Er sah nicht tot aus.
    »Tote sind leichter«, erklärte der Junge. »Und nachdem man gestorben ist, bekommt man ein Leichenhemd. Darin rutscht es sich leichter als in normalen Hosen.«
    Die Glühbirne bildete eine Leuchtblase in der Dunkelheit. Quentin hatte das Gefühl erdrückender Leere rings um sie. Man sah weder Himmel noch Decke. Die Ziegelmauer schien unendlich hoch zu sein – nein, sie reichte tatsächlich unendlich hoch, soweit er sehen konnte. Er befand sich im Untergeschoss der Welt.
    Quentin zeigte auf die Tür hinter dem Jungen. »Ist es in Ordnung, wenn ich reingehe?«
    »Nein. Sie dürfen nur rein, wenn Sie tot sind. Das ist Vorschrift.«
    »Ach so.«
    Das war ein Rückschlag. Abigail das Faultier hätte ihn über diesen Stolperstein ruhig vorher aufklären können. Quentin hatte nicht die geringste Lust, die ewig lange Rutsche wieder hinaufzuklettern, wenn das der Weg zurück an die Oberfläche war. Aus seiner Kindheit erinnerte er sich daran, dass das theoretisch möglich war, aber diese Rutsche war mindestens einen Kilometer lang. Angenommen, er fiele runter? Oder ein frisch Verstorbener käme ihm unterwegs entgegen?
    Anderseits wäre es eine Erleichterung. Er könnte wieder weitermachen. Weiter nach dem Schlüssel suchen.
    »Die Sache ist die: Mein Freund Benedikt ist da drin, und ich muss ihm etwas sagen.«
    Der Junge dachte kurz nach.
    »Vielleicht könnten sie es mir sagen, und ich würde es ihm ausrichten.«
    »Nein, er sollte es lieber von mir hören.«
    Der Junge kaute auf seiner Unterlippe.
    »Haben Sie einen Pass?«
    »Einen Pass? Nein, ich glaube nicht.«
    »Doch, Sie haben einen. Sehen Sie?«
    Der Junge hob die Hand und zog etwas aus der Brusttasche von Quentins Schlafanzug. Es war ein Stück Papier, in der Mitte zusammengefaltet. Quentin brauchte einen Moment, bis er es wiedererkannte: Es war der Pass, den das kleine Mädchen damals auf der Außeninsel – wie hieß sie noch mal, Eleanor – für ihn gemalt hatte. Wie war der in seine Schlafanzugtasche geraten?
    Der kleine Junge studierte das Dokument mit der ganzen bürokratischen Akribie seiner acht Jahre. Er blickte Quentin an, um sein Gesicht mit dem auf dem Pass zu vergleichen.
    »Wird so Ihr Name geschrieben?«
    Der Junge deutete hin. Unter dem Bild hatte Eleanor mit Buntstift und in Großbuchstaben geschrieben: KWENTIN , das K verkehrt herum.
    »Ja.«
    Der Junge seufzte, als hätte Quentin ihn beim Mensch-ärgere-dich-nicht

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