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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Fehler machte. Entweder geschah einfach nichts, oder der Zauber kehrte sich gegen einen.
    Außerdem missfiel Julia die Beschwörung, weil dabei viel gefleht wurde, während ihrer Ansicht nach Hexen nicht flehen, sondern befehlen sollten. Auch die Struktur war merkwürdig, voller Wiederholungen und Ellipsen. Ständig die gleichen Sätze. Ehrlich gesagt hörte sich die Rezitation in Julias Ohren wie ziemlicher Quatsch an. Der Text hatte keinen vernünftigen Aufbau; es war ein wirres Gerede über Mütter und Töchter, Getreide und Erde, Honig und Wein, der ganze Hohelied-Kram.
    Doch es war kein Quatsch, und das war das eigentlich Verrückte daran. Gummidgy bewirkte etwas mit ihrem Gefasel. Julia sah nichts, es waren keine visuellen Phänomene, aber sie spürte es deutlich. Es war sonnenklar, dass Magie am Werk war. Gummidgys Stimme wurde tiefer und sonorer. Einige Worte verursachten Luftschwingungen oder plötzliche Windstöße.
    Julias Kerze flammte auf wie eine Fackel. Sie verwünschte den Effekt, weil sie das Ding auf Armeslänge von sich weghalten musste, um sich nicht die Haare zu verbrennen, die sie offen trug, weil ihr das weiblicher und für die Madonna passender erschienen war. Irgendetwas geschah. Irgendetwas bahnte sich an. Sie fühlte es heranrasen wie einen Güterzug.
    Erst in diesem Moment durchzuckte Julia eine Erkenntnis, die so schrecklich war, dass sie sie Pouncy und den anderen nicht hätte offenbaren können, selbst wenn es nicht zu spät gewesen wäre: Sie wollte nicht, dass die Beschwörung wirkte. Sie wollte, dass sie fehlschlug. Sie hatte einen schweren Fehler begangen – sie hatte sich selbst falsch eingeschätzt, und zwar so grundlegend, dass es ihr ein Rätsel war, warum es ihr bisher nicht aufgefallen war. Sie brauchte das hier nicht, und sie wollte es nicht. Sie wollte nicht, dass die Göttin erschien.
    Pouncy hatte ihr bei ihrer Ankunft in Murs erklärt, dass es nicht genüge, wenn sie ihn und die anderen liebe, sondern dass sie die Magie noch mehr lieben müsse. Aber das tat sie nicht. Sie war zwar nach Murs gekommen, weil sie die Magie suchte, aber sie war auch auf der Suche nach einem neuen Zuhause und einer neuen Familie gewesen. Sie hatte alle drei Dinge gefunden, und das hatte ihr genügt. Sie war zufrieden, sie brauchte nichts weiter, vor allem nicht noch mehr Macht. Sie war mit ihrer Suche am Ziel angelangt und hatte es bis zu diesem Moment nicht gewusst. Sie wollte keine Göttin werden. Im Gegenteil: Sie wollte menschlicher werden, und hier in Murs war es ihr endlich gelungen.
    Doch es bestand keine Möglichkeit, den anderen das begreiflich zu machen. Außerdem waren jetzt titanische Energien bei ihnen im Raum, gewaltige Kräfte, und es war ungewiss, was geschehen würde, wenn sie versuchte, die Beschwörung zu unterbrechen. Julia hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Gummidgys Stimme wurde lauter. Sie näherte sich dem großen Finale. Ihre Augen waren geschlossen, und sie wiegte sich im Singsang von einer Seite zur anderen – die Melodie stand nicht in der Anleitung, sie musste ihr aus dem Äther zugeflogen sein, auf einer himmlischen Frequenz. Die Fenster auf der einen Seite des Raumes erstrahlten jetzt ganz im Mondlicht, als hätte das Gestirn seine Umlaufbahn verlassen, schwebe vor dem Haus und blicke zu ihnen herein.
    Es war schwer, die Augen von Gummidgy abzuwenden, aber Julia riskierte einen Blick nach links, zu Pouncy. Er erwiderte ihren Blick und lächelte. Er war nicht nervös. Er sah glücklich aus. O Göttin, ich bitte Dich nur um Eines: Gib ihm, was er braucht, dachte Julia. Sie klammerte sich an die Gewissheit, dass die Madonna unter der Erde niemals etwas von ihnen verlangen würde, was sie ihr nicht geben konnten. Julia kannte sie. So etwas würde sie niemals tun.
    Eine der Kerzen auf dem Tisch begann, knisternd Funken zu sprühen. Dann schickte sie mit einem tiefen, gutturalen
wuuf
eine gewaltige Flamme bis halbwegs hinauf zur Decke und spuckte etwas Riesiges, Rotes aus, das stehend auf dem Tisch landete. Gummidgy hustete erstickt und stürzte zu Boden, als wäre sie erschossen worden – Julia hörte den dumpfen Schlag, als ihr Kopf auf dem Boden aufschlug.
    In der plötzlichen Stille nahm der Gott eine triumphierende Pose an, die Arme weit ausgebreitet. So blieb er stehen. Er war ein Riese, vier Meter groß, geschmeidig und mit rotem Fell bedeckt. Er besaß die Gestalt eines Mannes und den Kopf eines Fuchses. Es war nicht die Madonna unter der Erde.
    Es war

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