Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
der feuchten Hitze.
In der Mitte der Schleife stand ein steinernes Denkmal, ein Granitobelisk, auf dem die Statue eines Mannes thronte. Durch die Monsunregen war er stark verwittert, und tropisches Unkraut hatte eine Ecke des Sockels abgesprengt, doch man sah noch die heroische Pose des Mannes, der mit stoischer Miene scheinbar drohendem Unheil entgegenblickte.
»Das ist Käpt’n Banks«, erklärte Elaine, »der Gründer der fillorianischen Kolonie auf der Außeninsel, will heißen, er hat sie mit seinem Schiff gerammt.«
Quentin fragte sich, ob es ungehörig wäre, einen Witz darüber zu machen – rammen…
»Wo sind denn alle?«
»Oh, ganz in der Nähe«, antwortete Elaine. »Wir leben hier meist recht zurückgezogen, wissen Sie.«
Eleanor wollte auf Elaines Arm, wurde aber mit einem Klaps verscheucht. Sie streckte die Arme zu Quentin empor, und er hob sie auf seine Schultern. Elaine verdrehte die Augen, als wolle sie sagen: Ich habe Sie gewarnt. Die Sonne versank in einem wahren Blutbad von Abendrot hinter den Bäumen, und die Insekten wurden in der Dämmerung aufdringlicher.
Eleanor quietschte vor Vergnügen, weil Quentin so viel größer war als ihr übliches Reittier. Sie stülpte ihm ihren Rocksaum über die Augen. Sanft schob er ihn hoch, doch sie drückte ihn juchzend wieder hinunter. Ein lustiges Spiel! Das Kind war überraschend stark. Quentin dachte bei sich, dass es Schlimmeres gab, als von der Kleinen als Spielkamerad ausgewählt zu werden.
Lange stand er so da, in der tropischen Dunkelheit unter Eleanors Rocksaum. Hier bin ich, der edle Anführer der tapferen Expedition zur Außeninsel. König aller Erkundungen. Das war’s, es würde keine überraschenden Wendungen und keine großen Enthüllungen geben. Das Gefühl der Resignation war fast angenehm, ein mildes, betäubendes Vergnügen, wie der erste gute, starke Drink des Abends.
Quentin seufzte. Es war kein unglücklicher Seufzer, doch er besagte so viel wie: Sobald ich die Steuern habe, bin ich weg von hier.
»Vorhin haben Sie etwas von Cocktails gesagt«, bemerkte er.
Das Dinner im Zollamt war erstaunlich gut: ein Fisch mit furchterregenden Zähnen, im Ganzen serviert in einer süßen Zubereitung aus einer Art mangoähnlicher, lokaler Frucht. Eleanor bediente die Gäste überaus würdevoll. Mit kerzengeradem Rücken und langsamen, bedächtigen Schritten, Spitze-Hacke, wie auf einem Schwebebalken, trug sie Salzstreuer, Gläser und so weiter zwischen Küche und Tisch hin und her. Gegen halb neun ließ sie ein Kristallweinglas fallen.
»Meine Güte noch mal!«, stieß Elaine hervor. »Ab ins Bett! Und zwar sofort, ohne Nachtisch!«
Nach dem Essen zogen sie zur Rattan-Sitzgruppe auf dem Balkon im ersten Stock um und schlürften in kleinen Schlucken widerlich süßen, einheimischen Likör. Die Bucht erstreckte sich in der Dunkelheit vor ihnen. In der Mitte ankerte die
Muntjak
, deren Bug, Heck und Mastspitzen mit Laternen erleuchtet waren. Julia hielt mit einem Zauber die Insekten fern.
Quentin fragte nach der Toilette und entschuldigte sich. Es war jedoch nur ein Vorwand: Er schlüpfte in die Küche, wo er die Reste des Kuchens unter einer Glasglocke fand. Er schnitt ein Stück ab und brachte es Eleanor hinauf in ihr Zimmer.
»Pssst!«, machte er, als er die Tür hinter sich schloss. Sie nickte ernsthaft, als sei er ein Spion, der ein Kriegskommuniqué überbrachte. Quentin wartete, bis sie aufgegessen hatte und brachte dann die Beweismittel – den leeren Teller und die Gabel – in die Küche zurück.
Als er wieder hinaus auf die Veranda trat, war Elaine allein. Julia war zu Bett gegangen. Falls sie irgendetwas für ihn empfand, war das wohl für sie noch lange kein Grund, um ihn zu kämpfen. Sein großartiger Ausflug mit ihr entglitt ihm. Schön, dann lief eben nichts zwischen ihnen – mittlerweile wäre er froh gewesen, wenn sie wenigstens mit ihm geredet hätte. Er machte sich Sorgen um sie.
»Es tut mir leid wegen vorhin«, entschuldigte sich Elaine. »Eure Hoheit. Ich wollte mich nicht respektlos verhalten.«
»Ach, vergessen wir das.« Er versuchte, sich auf sie zu konzentrieren, und lächelte. »Ich bin ja selbst noch nicht daran gewöhnt.«
»Es wäre einfacher gewesen, wenn Sie eine Krone getragen hätten.«
»Das habe ich anfangs getan, aber es war fürchterlich unbequem, und sie ist immer bei den unpassendsten Gelegenheiten runtergefallen.«
»Ich kann’s mir vorstellen.«
»Bei Schiffstaufen.
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