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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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geschäftigen Oberwelt verstummten, sobald er durch die dunkle Luke schlüpfte. Weit war es nicht: Drei kurze Treppen brachten ihn bis an den Boden des hohlen kleinen Bauchs der
Muntjak.
    Es war warm dort unten. Quentin spürte den Druck des Ozeans jenseits des feuchten, schwitzenden Holzes. Der Laderaum war so voll beladen, dass man sich kaum bewegen konnte. Nicht sehr malerisch. Er war bereits zurück auf dem Weg zur Leiter, hinauf in die Realität oder jedenfalls das, was in Fillory dafür galt, als ein seltsames, pelziges, auf dem Kopf stehendes Gesicht ihn aus der Dunkelheit heraus anstarrte.
    Er stieß einen schrillen, nicht sehr majestätischen Schreckenslaut aus und knallte mit dem Kopf irgendwo dagegen. Das Gesicht schwebte in der Luft, und als sich Quentins Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er, dass das Wesen mit dem Kopf nach unten an einem Querbalken hing, so entspannt, als hätte es sein ganzes Leben dort verbracht. Es sah außerirdisch und wie halb geschmolzen aus.
    »Hallo«, sagte es.
    Damit war ein weiteres Rätsel gelöst. Das sprechende Geschöpf an Bord war ein Faultier. Es war so ungefähr das hässlichste Säugetier, das Quentin je gesehen hatte.
    »Hi«, grüßte Quentin. »Ich hatte keine Ahnung, dass du hier unten bist.«
    »Scheint wohl niemand zu haben«, erwiderte das Faultier gleichmütig. »Ich hoffe, du kommst mich besuchen. Oft.«
     
    Sie brauchten drei Tage, um hinaus zur Außeninsel zu segeln, und mit jedem Tag wurde es heißer. Die herbstlichen Strände und stahlgrauen Gewässer Whitespires wichen tropischeren Gefilden, die in Fillory weder südlich noch nördlich, sondern östlich lagen, was für die Erdbewohner sonderbar, für die Fillorianer jedoch ganz normal war. Quentin fragte sich, ob diese Welt überhaupt kugelförmig war – Benedikt etwa hatte noch nie von so etwas wie einem Äquator gehört. Die Mannschaft kleidete sich in tropisches Weiß.
    Benedikt stand bei Admiral Lacker am Ruder, in der Hand einen Seekartenatlas, der den Kurs auf die Außeninsel beschrieb. Seite um Seite war gefüllt mit technisch aussehenden Punkten und wulstigen konzentrischen Isobaren. Gemeinsam umschifften sie einen Irrgarten von Untiefen und Riffen, die niemand außer ihnen wahrnahm, bis die Insel tatsächlich in Sicht kam. Als kleine Erhebung mit weißem Sand und grünem Dschungel tauchte sie am Horizont auf, in der Mitte ein bescheidener Hügel, ziemlich genau so wie in Quentins Vorstellung. Sie umrundeten einen Ausläufer und bogen in eine flache Bucht ein.
    In dem natürlichen Hafen herrschte absolute Windstille. Mit letztem Schwung glitt die
Muntjak
bis in die Mitte. Wellen kräuselten die ruhige grüne Wasseroberfläche. Schlaff flappten die Segel in der Stille. Die Siedlung in Sichtweite erinnerte an ein kleines Fischerdorf an der Côte d’Azur. Die Küste bildete ein schmaler Sandstrand, bedeckt mit Seetang und faserigen Pflanzenteilen, wie Palmen sie ständig verlieren, dörrend in der glühenden Nachmittagshitze. An einem Ende der Bucht befanden sich ein Landungssteg und einige niedrige Gebäude, am anderen Ende erhob sich ein prächtiges Haus wie ein Hotel oder ein Country Club. Keine Menschenseele war zu sehen.
    Vielleicht hielten die Bewohner gerade Siesta. Unwillkürlich beschlich Quentin ein ungutes Vorgefühl. Blödsinn. Sie waren rein geschäftlich hier, um Steuern einzutreiben.
    Schweigend ließen sie die Barkasse zu Wasser. Quentin stieg ein, gefolgt von Schramme und Benedikt, der vor lauter Aufregung über den Beginn seiner Messungen seine mürrische Schüchternheit kurzfristig überwunden hatte. In letzter Minute erschien auch Julia an Deck und schlüpfte an Bord der Barkasse. Das Faultier, bequem an seinem Balken im Laderaum hängend, wollte nicht mit, erinnerte sie aber – bevor es die Hängelider über den verschleierten Augen schloss – nachdrücklich daran, dass es ein Allesfresser sei, nur falls sie zufällig an besonders saftigen Schösslingen oder einer Eidechse vorbeikämen.
    Ein langer, schmaler, wackliger Steg mit einer absurden kleinen Kuppel am Ende erstreckte sich vom Kai aus ins Wasser. Dorthin ruderten sie. Die Bucht lag so ruhig da wie ein Teich. Während der gesamten Aktion hatten sie kein menschliches Wesen gehört oder gesehen.
    »Gespenstisch!«, bemerkte Quentin. »Hoffentlich geht es uns nicht so wie Sir Walter Raleigh mit der Kolonie auf Roanoke, die er bei seiner Rückkehr verlassen vorfand.«
    Niemand sagte etwas dazu. Quentin

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