Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
Vom Netzwerk:
auf eigene Faust gebracht hatte.
    »Woran arbeitest du gerade?«
    »An einer alten Karte«, antwortete Benedikt, ohne aufzublicken. »Sehr alt. An die zweihundert Jahre.«
    »Stammt sie aus dem Zollamt?«
    »Als ob ich eine Karte stehlen würde! Nein, das Original hängt eingerahmt an der Wand, und ich habe es abgezeichnet.«
    »Warum trägt deine Karte dann das Siegel des Zollamts der Außeninsel?«
    »Weil ich sie mit dem Siegel kopiert habe.«
    Die Karte war wundervoll, und wenn Benedikt die Wahrheit sagte, bewies er großes Talent. Seine Zeichnung war detailliert und präzise, ohne Unsicherheiten oder Verbesserungen.
    »Erstaunlich! Du bist unglaublich begabt.«
    Benedikt errötete und arbeitete noch eifriger weiter. Aus Quentins Mund waren Lob und Tadel für ihn gleichermaßen unerträglich.
    »Und, wie hat dir die praktische Arbeit gefallen? Das muss doch mal eine Abwechslung für dich gewesen sein.«
    »Ich fand’s furchtbar«, erwiderte Benedikt. »Völlig chaotisch. Nichts sieht so aus, wie es aussehen sollte. Das kann man überhaupt nicht berechnen!« Seine Frustration lockte ihn ein wenig aus der Reserve. »Alles da draußen ist krumm und schief. Es gibt keine geraden Linien! Mir war schon immer klar, dass Karten die Wirklichkeit nur ungefähr wiedergeben können, aber ich habe nicht gewusst, wie viel darauf weggelassen wird. Überall Chaos! So etwas mache ich nie wieder.«
    »Was soll das heißen? Willst du etwa aufgeben?«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Sehen Sie mal, da draußen …« Benedikt zeigte auf die Schiffswand, etwa in Richtung der wogenden See. »Und jetzt das da.« Er zeigte auf die Karte. »Dies hier kann man perfekt ausarbeiten. Das da draußen …« Er schauderte. »Das ist einfach chaotisch.«
    »Aber die Karte kann man nicht mit der Wirklichkeit gleichsetzen. Sie mag ja perfekt sein, aber welche Rolle spielt das?«
    »Von Karten wird man nicht seekrank.«
    Quentin wusste die Ironie zu schätzen. Er war derjenige gewesen, der befohlen hatte, wieder Kurs auf Whitespire zu nehmen. Er betrachtete die Karte, an der Benedikt arbeitete. Wie nicht anders zu erwarten, trug eine der kleinen Inseln ganz am Rande des Papierbogens die Bezeichnung
Jenseits
in kleinen verschnörkelten Buchstaben.
    »Jenseits.« Da war die Insel, direkt vor seiner Nase. Quentin berührte sie leicht mit dem Zeigefinger. Halb rechnete er damit, einen elektrischen Schlag zu kassieren. »Liegt die Insel auf unserem Kurs?«
    »Nein, sie liegt im Osten, ziemlich genau in entgegengesetzter Richtung.«
    »Wie weit?«
    »Zwei, drei Tagesreisen. Wie gesagt, die Karte ist sehr alt, und bei der Gruppe handelt es sich um Wanderinseln.«
    Quentin fragte nach, und Benedikt verdrehte angesichts seiner Ignoranz theatralisch die Augen, während er ihm erklärte, dass die Inseln weiter draußen im Östlichen Meer nicht an Ort und Stelle blieben, wenn sie bemerkt hatten, dass sie kartographiert worden waren. Das mochten sie nicht, und mittels einer Art tektonischer Magie wanderten sie umher, um sicherzugehen, dass die Karten niemals genau waren. Weiteres Chaos.
    Benedikt murmelte einige Berechnungen vor sich hin, Geschwindigkeit, Zeit, und zog dann behände und exakt – unglaublich, bei den dicken schwarzen Haarsträhnen vor den Augen – mit der freien Hand einen perfekten, leichten Bleistiftkreis um die Außeninsel.
    »Irgendwo innerhalb dieses Radius muss sie liegen.«
    Quentin starrte den kleinen Flecken an, der sich im Netz der geschwungenen Meridiane und Parallelen verlor. Ein Netz, das ihn im Fall eines Sturzes nicht auffangen würde. Da draußen war nicht Fillory. Aber irgendwo in diesem Abgrund schimmerte ein Schlüssel, ein magischer Schlüssel. Und mit ihm in der Hand könnte er heimkehren.
    Ein Bild kam ihm in den Sinn, ein Albumcover aus den 1970 ern: Ein altmodisches Segelschiff balancierte am Rande eines Katarakts, über den sich die grüne See donnernd in die Tiefe ergoss. Das Schiff stand kurz vor dem Überkippen, und die Strömung war stark, aber dennoch: Eine starke Bö im Gegenwind hätte es in letzter Minute retten können. Ein scharfer, gebellter Befehl des Kapitäns, und es hätte gewendet und wäre entgegen dem Strom in Sicherheit gesegelt.
    Aber wohin wäre das Schiff gefahren? Zurück in die Heimat? Nein, noch nicht.
    »Kann ich mir die mal leihen?«, fragte Quentin Benedikt. »Ich möchte sie gern dem Käpt’n zeigen.«
     
    Mit dem Kurswechsel ließen sie den warmen, grünen Ozean hinter sich und

Weitere Kostenlose Bücher