Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
in den Arbeiten mindestens Vieren schreiben musste, um den Highschool-Abschluss zu schaffen. Es war ein Balanceakt am Rande des Abgrunds, aber genau dort lebte Julia augenblicklich.
Währenddessen besuchte sie regelmäßig ihren Therapeuten. Er war wirklich in Ordnung und meinte es gut mit ihr. Er hatte ein lustiges Gesicht mit Stoppelbart und realistische Vorstellungen davon, was er im Leben erreichen konnte. Sie erzählte ihm jedoch nichts von der Geheimschule für Magie, an der man sie nicht angenommen hatte. Sie mochte verrückt sein – blöd war sie nicht. Sie hatte
Terminator
2
gesehen und wollte nicht wie Sarah Connor enden.
Hin und wieder geriet Julias Überzeugung ins Wanken. Sie wusste, was sie wusste, aber sie hatte nicht viel, worauf sie sich stützen konnte, um ihren Glauben an das, was geschehen war, über längere Zeit hinweg aufrechtzuerhalten. Sie konnte nur hoffen, dass Google weiterhin alle paar Wochen ein, zwei Treffer für das Suchwort »Brakebills« fand, auch wenn diese jedes Mal nach wenigen Minuten wieder verschwunden waren. Wie durch Zauberei! Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die einen Google-Alert für den Begriff eingerichtet hatte, und diese andere Person war schlau genug, den Google-Cache zu löschen, sobald der Alarm ausgelöst wurde. Aber es gab Julia zu denken.
Dann, im April, begingen sie ihren ersten Fehler. Ein echter Griff ins Klo. Denn sieben Umschläge waren in ihrem Briefkasten: aus Harvard, Yale, Princeton, Columbia und Stanford, vom MIT und dem Caltech. Glückwunsch, wir freuen uns, Sie als neue Studentin im Fach …
Ha, ha, ha, ha, das soll wohl ein Witz sein!
Sie lachte sich kaputt, als sie die Schreiben las. Ihre Eltern lachten ebenfalls – vor Erleichterung. Julia dagegen, weil sie es so verdammt lustig fand. Sie hörte nicht auf zu lachen, als sie die Schreiben eines nach dem anderen in der Mitte durchriss und sie in die Recyclingtonne warf.
Sie dachte: Ihr gottverdammten Idioten! Jetzt habt ihr euch selbst überlistet. Kein Wunder, dass ihr Quentin angenommen habt, denn ihr seid genau wie er: Unaufhörlich überlistet ihr euch selbst. Glaubt ihr wirklich, ihr könntet mir damit mein Leben abkaufen? Mit einem Stapel dicker Annahmeschreiben? Bildet ihr euch ein, ich würde eines davon anstelle des magischen Königreichs akzeptieren, das mein rechtmäßiges Erbe ist?
O nein! Da habt ihr mich aber gewaltig unterschätzt, meine Lieben. Das ist eine Pattsituation. Es geht darum, wer den längeren Atem hat, und ich kann warten. Ihr sucht nach einer Patentlösung für das Julia-Problem, aber die existiert nicht. Findet euch damit ab, meine Freunde, so schnell gibt Julia nicht auf.
Kapitel 7
A uf dem Heimweg machte Quentin es sich zur königlichen Aufgabe, die
Muntjak
regelmäßig abzuschreiten und zweimal täglich nach jedem Besatzungsmitglied zu sehen. An dem Morgen, nachdem sie die Außeninsel verlassen hatten, wandte sich Quentin zuerst an Benedikt. Das Schiff glitt schnell unter der tropischen Sonne dahin, jedes Tau und jedes Segel straff gespannt und tipptopp in Schuss. Quentin kam sich ein wenig blöd vor, weil er die
Muntjak
so aufwendig hatte restaurieren lassen, um damit letztendlich nur mal die Nachbarn zu besuchen. Er fand Benedikt auf einem Hocker in seiner Kabine sitzend und über seinen winzigen Faltschreibtisch gebeugt. Darauf ausgebreitet lag eine handgezeichnete Seekarte, die einige verstreute Inseln zeigte und mit winzigen Zahlen – möglicherweise Angaben zur Wassertiefe – bedeckt war. Flache Gewässer waren mit hellblauer Farbe deutlich gekennzeichnet.
Benedikt hatte sich Quentin kein bisschen angenähert, seitdem sie das Festland verlassen hatten, aber Quentin mochte ihn trotzdem. Schon allein die Beharrlichkeit seiner Verachtung für Quentin, der ja nun mal sein König war, hatte etwas Erfrischendes. Dafür brauchte man ordentlich Rückgrat. Außerdem war Benedikt der reinrassigste Nerd, dem Quentin in Fillory begegnet war, von einer Art, wie sie in der realen Welt nicht vorkam: Er war ein Karten-Nerd.
»Na, wie geht’s dir so?«, fragte er.
Benedikt zuckte mit den Achseln.
»Die meiste Zeit bin ich seekrank.«
Quentin hatte Benedikt nicht oft zu Gesicht bekommen, obwohl er mehrmals versucht hatte, ihm bei seinen Berechnungen zu helfen. Benedikt konnte zwar bemerkenswert gut arithmetische Aufgaben im Kopf lösen, aber die fillorianische Mathematik war nicht besonders hoch entwickelt. Es war erstaunlich, wie weit es Benedikt
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