Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
dämmerte ihm, dass Fillory sein Happy End sein mochte, aber nicht unbedingt Julias. Sie brauchte etwas anderes. Sie verfolgte noch immer ihren verschlungenen Weg, und es drohte der Einbruch der Nacht.
»Würdest du dir wünschen, dich nicht an Brakebills erinnern zu können und in Brooklyn geblieben zu sein?«
»Manchmal.« Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand ihrer Kajüte, in einer Haltung, die nicht bequem sein konnte. »Warum hast du mir nicht geholfen, Quentin? Warum hast du mich nicht gerettet, als ich dich damals in Chesterton besucht habe?«
Eine berechtigte Frage, die auch er sich schon oft gestellt hatte. Es gab einige plausible Antworten darauf.
»Weil ich nicht konnte, Julia. Es lag nicht an mir. Das weißt du. Ich konnte dich nicht nach Brakebills bringen, schließlich habe ich es selbst nur mit knapper Not geschafft.«
»Aber du hättest mich besuchen und mir beibringen können, was du gelernt hast.«
»Dann wäre ich von der Schule geflogen.«
»Dann eben nach deinem Abschluss.«
»Warum müssen wir ausgerechnet jetzt darüber reden, Julia?« Er befand sich auf unsicherem Terrain und ging zur Gegenoffensive über. Angriff ist die beste Verteidigung. »Du hast mich doch damals gebeten, dem Direktor von dir zu erzählen. Das habe ich getan. Ich dachte, danach hätten sie dich aufgespürt und deine Erinnerung endgültig gelöscht! So machen sie es immer.«
»Aber das haben sie nicht getan. Sie haben mich nicht gefunden. Bis sie aktiv wurden, hatte ich mich schon längst aus dem Staub gemacht, war spurlos verschwunden.« Sie schnippte mit den Fingern. »Wie durch Zauberei!«
»Wie hattest du dir das denn überhaupt vorgestellt, Julia? Wolltest du der Zauberlehrling sein, wie in dem Gedicht? Und was glaubst du wohl, wie es mir damit ging? Früher hast du dich einen Scheiß für mich interessiert, aber als ich plötzlich der große Zauberer Fidibus war, hast du dich förmlich auf mich gestürzt. Aber so funktioniert das nicht.«
»Natürlich habe ich mich für dich interessiert, ich wollte nur nicht mit dir schlafen. Mein Gott nochmal!« Sie trieb ihn in dem kleinen Raum in die Enge. Sie hatte den Hocker rückwärts auf zwei Beine gekippt und ließ ihn jetzt wieder nach vorne fallen. »Obwohl ich es übrigens getan hätte, um zu bekommen, was ich wollte.«
»Aber du hast es doch auch ohne mich geschafft, oder?«
»Allerdings, und noch eine Menge mehr. Das sollte dich nicht wundern, dich am allerwenigsten. Du hast mich da draußen in der realen Welt zurückgelassen, allein und ohne Magie! Alles, was mit mir geschehen ist, hat mit dir angefangen! Willst du wissen, was mit mir geschehen ist? Ich werde es dir erzählen. Aber erst dann, wenn du es dir verdient hast.«
In der Kajüte herrschte erdrückendes Schweigen. Draußen legte sich schwer die Nacht auf die steingrauen Wellen, und das kleine Bullauge war mit Salzwasser bespritzt.
»Das habe ich nicht gewollt, Julia. Was auch immer mit dir passiert ist. Es tut mir leid.«
Er musste das sagen, und es entsprach der Wahrheit. Aber es war nicht die ganze Wahrheit. Dahinter verbargen sich andere, weniger schöne Wahrheiten: Er war sauer auf Julia gewesen. Auf der Highschool war er ihr Schoßhündchen gewesen und um sie herumscharwenzelt, während sie mit seinem besten Freund ins Bett ging, und er hatte es einigermaßen genossen, als sich das Blatt gewendet hatte. Doch warum hatte er Julia nicht gerettet? Nicht nur aus diesem Grund, aber jedenfalls auch.
»Ich war wieder ich selbst«, sagte sie bedrückt. »Eben gerade. Als ich sauer geworden bin.« Die Fensterscheibe beschlug. Julia zeichnete eine Figur darauf und wischte sie wieder weg. »Aber jetzt vergeht es schon wieder.«
Zum Teufel mit dem goldenen Schlüssel! Diesem Problem sollte er seine Aufmerksamkeit widmen. Julia brauchte nicht seine Liebe, sondern seine Hilfe.
»Bitte erkläre es mir«, wiederholte Quentin und nahm ihre kalten Finger in seine Hände. »Sag mir, was ich für dich tun kann. Ich will dir helfen. Ich will dir helfen, dich zu erinnern.«
Etwas anderes glühte im Zimmer, noch etwas außer dem Irrlicht. Quentin war sich nicht sicher, wann es begonnen hatte. Es war Julia – nein, nicht Julia, sondern irgendetwas in ihr. Ihr Herz glühte: Er konnte es unglaublicherweise durch das Kleid unter ihrer Haut erkennen.
»Aber ich erinnere mich, Quentin«, erwiderte sie. »Hier draußen auf dem Meer, fern von Fillory, kommt meine Erinnerung wieder.« Jetzt
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