Fillory - Die Zauberer
Ödnis da draußen! Hier draußen. Du kannst nichts, irgendetwas oder alles tun, aber nichts davon spielt eine Rolle. Du musst etwas finden, an dem dir wirklich etwas liegt, damit du nicht völlig aus der Spur gerätst. Und viele Zauberer finden einfach nichts.«
Ihre Stimme klang seltsam drängend, fast wütend. Er versuchte, ihr zu folgen.
»Du meinst also, das gilt auch für deine Eltern?«
»Genau. Alles, was sie hatten, waren zwei Kinder, die ihnen doch das Minimum von zwei guten Möglichkeiten hätten bieten müssen. Na ja, an Charlie hätte ihnen vielleicht etwas gelegen, aber als sie ihn verloren haben, sind sie völlig vom Weg abgekommen. Und jetzt sieh sie dir an.«
»Was ist mit deiner Mutter und ihren Feenorchestern? Sie schien sie ziemlich ernst zu nehmen.«
»Das macht sie nur, um meinen Vater zu ärgern. Ich bin mir nicht mal sicher, dass sie existieren.«
Plötzlich rollte sich Alice über ihn und setzte sich rittlings auf ihn. Mit den Händen auf seinen Schultern drückte sie ihn herunter. Ihre Haare hingen wie eine schimmernde Gardine über ihm, kitzelten ihn im Gesicht und verliehen ihr das respekteinflößende Aussehen einer Göttinnenerscheinung, die sich vom Himmel aus zu ihm herunterbeugte.
»Du musst mir versprechen, dass wir nie so werden wie sie, Quentin.« Ihre Nasen berührten sich fast. Sie auf sich zu spüren erregte ihn, aber ihr Gesicht war zornig und ernst. »Ich weiß, dass du glaubst, dir stünden Kreuzzüge, Drachen, die Bekämpfung des Bösen und was weiß ich bevor, genau wie in Fillory. Ich weiß, dass du das glaubst. Aber so ist es nicht. Das erkennst du nur noch nicht. Da draußen ist nichts.
Deswegen musst du mir eines versprechen, Quentin. Lass uns niemals so werden, mit diesen bescheuerten Hobbys, die niemanden interessieren. Den ganzen Tag mit unbedeutendem Firlefanz füllen, sich zu hassen und auf den Tod zu warten.«
»Du verhandelst aber sehr hart«, antwortete er. »Na schön. Ich verspreche es.«
»Im Ernst, Quentin. Es wird nicht leicht werden. Es wird so viel schwerer werden, als du glaubst. Sie wissen es nicht einmal, Quentin. Sie glauben, dass sie glücklich sind. Das ist am schlimmsten.«
Ohne hinzusehen löste sie das Band seiner Pyjamahose und zerrte sie herunter, wobei sie ihm noch immer unverwandt in die Augen starrte. Ihr Mantel war bereits von der Taille abwärts geöffnet und sie trug nichts darunter. Er wusste, dass sie etwas sehr Wichtiges sagte, aber er begriff es nicht so richtig. Er fasste unter ihren Bademantel und streichelte ihren glatten Rücken, ihre geschwungene Taille. Ihre schweren Brüste strichen über seine Brust. Sie würden immer magisch sein. Auf ewig. Also was …?
»Vielleicht sind sie glücklich«, erwiderte er. »Vielleicht sind sie einfach so.«
»Nein, Quentin. Das sind sie nicht. Sie sind nicht so.« Sie fuhr mit den Fingern in seine Haare und packte zu, so fest, dass es weh tat. »Mein Gott, manchmal bist du so ein Kind!«
Sie bewegten sich jetzt im Gleichklang, laut keuchend. Quentin war in ihr und sie konnten nicht mehr reden. Nur Alice wiederholte unablässig:
»Versprich es mir, Q. Versprich es. Versprich es bitte.«
Sie sagte es wütend, beharrlich, wieder und wieder, als würden sie streiten. Als hätte er in diesem Moment nicht absolut allem zugestimmt.
EXAMEN
Einerseits waren es völlig desaströse Ferien. Sie verließen so gut wie nie das Haus, außer für ein paar stramme Spaziergänge durch die gefriergetrockneten Vorstädte von Urbana, die so hohl und leer waren, dass es sich anfühlte, als könnten sie jeden Moment in den endlosen weißen Himmel fallen. Andererseits war es eine wundervolle Zeit, die Alice und Quentin einander näherbrachte und Quentin zu verstehen half, warum Alice so war, wie sie war. Sie stritten sich nicht ein einziges Mal – hauptsächlich, weil sie sich im Gegensatz zu dem erschreckenden Beispiel von Alice’ Eltern jung und romantisch fühlten. Nach der ersten Woche hatten sie all ihre Hausaufgaben erledigt und konnten nach Lust und Laune herumhängen und Unsinn machen. Als dann die zwei Wochen vorbei waren, wurden sie unruhig und waren bereit, ihr letztes Semester in Brakebills in Angriff zu nehmen.
Sie hatten seit dem letzten Sommer fast nichts von den anderen gehört. Quentin hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet. Natürlich war er neugierig darauf, was in der Welt draußen geschah. Aber in seiner Vorstellung waren Eliot, Josh und Janet dabei, ein unvorstellbar
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