Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
Vom Netzwerk:
Referat fertigschreiben oder so. Wir sehen uns dann im Januar wieder.«
    »Möchtest du denn nicht mitkommen?«, schluchzte sie entsetzt auf.
    »Natürlich möchte ich. Ich möchte gerne sehen, wo du herkommst. Ich möchte, dass deine Eltern mich kennenlernen. Und ich werde dich mit Sicherheit nicht mit zu meinen Eltern nehmen.«
    »Dann ist ja gut.« Sie klang jetzt schon weniger besorgt. »Versprichst du mir, dass du meine Eltern genauso hassen wirst wie ich?«
    »Aber natürlich«, antwortete Quentin. »Vielleicht sogar noch mehr.«
    Die Öffnung der Portale für die Heimkehr in die Ferien war stets eine knifflige und mühselige Angelegenheit, so dass sich unweigerlich eine große Menge von Brakebills-Studierenden mitsamt ihrem ganzen Gepäck in einer langen, unordentlichen Schlange aufreihten. Sie zog sich den engen, dunklen Gang entlang bis in den Hauptaufenthaltsraum, wo Professor Van der Weghe dafür sorgte, dass jeder an seinen Bestimmungsort gelangte. Alle waren erleichtert, dass die Prüfungen vorbei waren, und es gab immer viel albernes Gedränge und Geschubse, Gequietsche und das Knallen und Blitzen kleinerer pyrotechnischer Zaubertricks. Quentin und Alice warteten gemeinsam, schweigend, mit gepackten Koffern, ernsthaft, Seite an Seite. Quentin sah so respektabel aus, wie er nur konnte. Er besaß kaum noch Kleidungsstücke, die nicht zu seiner Brakebills-Uniform gehörten.
    Er wusste, dass Alice aus Illinois stammte, und er wusste, dass Illinois im mittleren Westen lag, aber hätte die genaue Lage dieses Staates nicht mal in einem Umkreis von tausend Meilen bestimmen können. Außer einem Europa-Urlaub in der Mittelstufe hatte er die Ostküste kaum je verlassen, und seine Erziehung in Brakebills hatte nicht viel dazu beigetragen, seine Kenntnisse der amerikanischen Geographie zu verbessern. Aber wie sich herausstellen würde, sollte er kaum etwas von Illinois zu sehen bekommen, jedenfalls nicht von außen.
    Professor Van der Weghe legte das Portal so an, dass es sich direkt in einem Vorraum von Alice’ Elternhaus öffnete. Steinwände, flache Mosaikfußböden, mit Pfosten und Türstürzen umrahmte Durchgänge nach allen Seiten: die naturgetreue Rekonstruktion einer traditionellen römischen Residenz. Die Geräusche hallten darin wider wie in einer Kirche. Es war, als sei man über das rote Absperrseil in einem Museum geklettert. Magie lag häufig in der Familie – Quentin war in dieser Hinsicht eine Ausnahme – und Alice’ Eltern waren beide Zauberer. Sie war nie gezwungen gewesen, ihre Mutter und ihren Vater in der Weise zu hintergehen, wie Quentin es mit seinen Eltern tun musste.
    »Willkommen in dem Haus, das die Zeit vergaß zu vergessen«, sagte Alice düster und beförderte ihre Taschen mit einem Tritt in eine Ecke. Dann nahm sie Quentin an der Hand und führte ihn einen beunruhigend langen, dunklen Korridor entlang zu einem etwas tiefer liegenden Wohnzimmer mit Kissen und römischen Liegen überall kreuz und quer. In der Mitte plätscherte ein bescheidener Springbrunnen.
    »Mein Vater verändert das Haus alle paar Jahre«, erklärte Alice. »Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Architekturmagie. Als ich klein war, lebten wir im Barock, alles war mit Goldschnörkeln verziert. Das war beinahe hübsch. Aber dann kamen japanische Papierwände – man konnte alles hören. Dann folgte Fallingwater – Frank Lloyd Wright –, bis Mama es satt hatte, in einer schimmeligen Farm zu leben, keine Ahnung, warum. Danach war es für eine Weile ein irokesisches Langhaus mit Lehmfußboden. Ohne Wände. Es war lustig. Wir mussten ihn anflehen, wenigstens ein richtiges Klo einzubauen. Ich glaube, er meinte im Ernst, wir würden dabei zusehen, wie er in eine Grube scheißt. Meiner Meinung nach haben das nicht mal die Indianer getan.«
    Damit ließ sie sich schwer auf eine harte römische Lederliege fallen, schlug ein Buch auf und vertiefte sich in ihre Ferienlektüre.
    Quentin wusste, dass es manchmal besser war, Alice’ düstere Phasen einfach auszusitzen, als zu versuchen, sie daraus hervorzulocken. Jeder hatte seine eigene, idiopathische Reaktion auf sein Elternhaus. Und so verbrachte er die folgende Stunde damit, durch dieses Haus zu wandern, das in bemerkenswerter Weise einer pompeijanischen Villa des gehobenen bürgerlichen Mittelstandes glich, inklusive der pornographischen Fresken. Die Konstruktion war geradezu obsessiv authentisch, bis auf die Bäder und Toiletten – diesbezüglich hatte es

Weitere Kostenlose Bücher