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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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offenbar Konzessionen gegeben. Als kindergroße Holzmarionetten, deren Füße auf den Steinfliesen klapperten, das Abendessen servierten, war auch dieses widerlich historisch: Kalbshirne, Papageienzungen und eine gegrillte Muräne, das alles so sehr gepfeffert, dass man es kaum essen konnte, auch wenn man das gewollt hätte. Gottlob gab es Wein im Überfluss.
    Sie waren beim dritten Gang angelangt, einer gefüllten, gebackenen Schweinegebärmutter, als plötzlich ein kleiner, korpulenter, rundgesichtiger Mann im Durchgang erschien. Er war in eine abgetragene Toga gekleidet, grau wie ein ungewaschenes Bettlaken. Er hatte sich seit mehreren Tagen nicht rasiert und die dunklen Stoppeln zogen sich weit den Hals hinunter. Die wenigen Haare, die auf seinem Kopf noch übrig waren, hätten ebenfalls einen Schnitt vertragen können.
    » Ave atque vales!«, rief er aus, begleitet von einem sorgfältig einstudiert wirkenden römischen Gruß, der eher einem Hitlergruß glich. »Willkommen im domus von Danielus !«
    Dabei machte er ein Gesicht, das zu sagen schien, dass es die Schuld der Zuhörer war, wenn sie den Witz nicht lustig fanden.
    »Hallo, Papa«, sagte Alice. »Das ist mein Freund Quentin.«
    »Hallo.« Quentin stand auf. Er hatte versucht, nach römischer Art im Liegen zu essen, aber es war schwieriger, als es aussah, und er hatte Seitenstiche. Alice’ Vater schüttelte seine ausgestreckte Hand. Mitten in der Geste schien er zu vergessen, was er tat, und wirkte dann plötzlich überrascht, als habe er die fleischigen Extremitäten eines Außerirdischen im Griff.
    »Esst ihr dieses Zeug etwa wirklich? Ich habe mir vor einer Stunde Pizza bestellt.«
    »Wir wussten nicht, dass es noch etwas anderes gibt. Wo ist Mama?«
    »Wer weiß?«, fragte Alice’ Vater zurück, mit weit aufgerissenen Augen, als sei das ein tiefes Geheimnis. »Als ich sie zuletzt gesehen habe, hat sie unten an einer ihrer Kompositionen gearbeitet.«
    Er sprang die wenigen Stufen hinunter in den Raum, Sandalen klatschten auf Steinfliesen, und schenkte sich aus einem Dekantierer von dem Wein ein.
    »Und wann war das? Im November?«
    »Frag mich nicht. Ich verliere mein Zeitgefühl in diesem verdammten Haus.«
    »Warum baust du nicht ein paar Fenster ein, Papa? Es ist so dunkel hier.«
    »Fenster?« Wieder machte er Glupschaugen – es schien ein typischer Gesichtsausdruck von ihm zu sein. »Du sprichst von einer barbarischen Magie, von der wir edlen Römer nichts wissen.«
    »Sie haben hier ein wahres Wunder vollbracht«, legte Quentin los, die verkörperte Unterwürfigkeit. »Es sieht wirklich authentisch aus.«
    »Danke!« Alice’ Vater leerte den Kelch und schenkte sich wieder ein. Dann ließ er sich auf eine Ottomane fallen, wobei er purpurroten Wein über die Vorderseite seiner Toga kleckerte. Seine nackten Waden waren dick und schneeweiß. Schwarze Stoppeln piekten in statischem Erstaunen daraus hervor. Quentin fragte sich, ob seine schöne Alice auch nur eine einzige kleine genetische Information mit dieser Person gemeinsam hatte.
    »Die Konstruktion hat mich drei Jahre gekostet«, sagte er. »Drei Jahre. Und wissen Sie was? Schon nach zwei Monaten habe ich die Nase voll davon. Das Essen finde ich ungenießbar, ich habe Bremsspuren auf meiner Toga und bekomme Plattfüße vom Herumlaufen auf diesen Steinböden. Wozu ist mein Leben nütze?« Er sah Quentin wütend an, als erwarte er tatsächlich eine Antwort von ihm, Quentin, der sich nur davor drücken wollte. »Würde mir das bitte mal einer sagen? Denn ich habe keine Ahnung. Nicht die geringste!«
    Alice starrte ihren Vater an, als habe er gerade ihr Haustier umgebracht. Quentin blieb absolut still stehen, als könne ihn Alice’ Vater, wie ein Dinosaurier, dann nicht sehen. Für einige lange Augenblicke saßen alle verlegen schweigend da. Dann stand Alice’ Vater auf.
    » Gratias. Und gute Nacht!«
    Er warf die Schleppe seiner Toga über die Schulter und marschierte hinaus. Die Füße der Marionetten klackerten über den Fußboden, als sie den verschütteten Wein aufwischten, den er zurückgelassen hatte.
    » Darf ich vorstellen: mein Vater! «, sagte Alice laut und rollte die Augen, als erwarte sie, dass im Hintergrund ein Lachen vom Band abgespult würde. Doch es blieb aus.
    Inmitten dieser häuslichen Einöde schufen sich Quentin und Alice ein funktionierendes, sogar geselliges Leben zu zweit, wie zwei Invasoren, die sich ein sicheres Refugium tief in feindlichem Gebiet eroberten. Es

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