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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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stand. Quentin war nicht bereit, ihr an diesem Ort Gesellschaft zu leisten. Doch wo sollte er sonst hingehen? Was hätte Alice getan?
     
    Ein weiterer Monat verging. Inzwischen war es November, und Quentin saß in seinem Eckbüro und starrte aus dem Fenster. Das Gebäude auf der anderen Straßenseite war beträchtlich niedriger als der Firmensitz von Grunnings Hunsucker Swann, und daher konnte er ungehindert auf das Dach blicken, auf dem ein gepflegter beigefarbener Kiesweg rund um ein graues Gitter massiver, komplizierter Klimaanlagen- und Heizungsinstallationen führte. Mit dem Beginn des bitterkalten Spätherbstwetters war die Klimaanlage verstummt und die Heizgeräte waren zum Leben erwacht. Riesige Dampfwolken kringelten sich in abstrakten Strudeln von ihnen auf: hypnotische, lautlose, langsam kreisende Formen, die niemals innehielten und sich niemals wiederholten. Rauchsignale, von niemandem ausgesandt, an niemanden gerichtet, ohne jede Bedeutung. In letzter Zeit verbrachte Quentin viel Zeit damit, sie zu beobachten. Sein Assistent hatte es diskret aufgegeben, Termine für ihn festzulegen.
    Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung klirrte die getönte Fensterscheibe, die eine ganze Wand von Quentins Büro bildete, und zerbarst nach innen. Quentins ultramoderne, schmalrippige Jalousien hingen grotesk schief. Kalte Luft und grelles, ungefiltertes Sonnenlicht strömten herein. Etwas Kleines, Rundes und sehr Schweres rollte über den Teppichboden und traf seinen Schuh.
    Quentin blickte hinunter. Es war eine bläuliche Marmorkugel: der Steinglobus, den sie früher für den Beginn eines Welters-Spiels benutzt hatten.
    Drei Personen schwebten mitten in der Luft vor seinem Fenster im dreißigsten Stock.
    Janet sah irgendwie älter aus, was sie natürlich auch war, aber sie wirkte noch in anderer Hinsicht verändert. Ihre Augen strahlten eine intensive, violette mystische Energie aus, die nichts glich, was Quentin bisher gesehen hatte. Sie trug ein enges schwarzes Lederbustier, aus dem sie jeden Moment herauszuplatzen drohte. Silberne Sterne fielen überall um sie herum.
    Eliot hatte sich ein Paar enorme, weiß gefiederte Flügel zugelegt, die sich hinter seinem Rücken ausbreiteten und mit denen er auf einem immateriellen Wind schwebte. Auf dem Kopf trug er die goldene Krone Fillorys, die Quentin zuletzt in Embers unirdischem Verlies gesehen hatte. Zwischen Janet und Eliot, die Arme in schwarze Seide gewickelt, schwebte eine große, schmerzhaft dürre Frau mit langen, welligen schwarzen Haaren, die sich in der Luft wiegten, als schwimme sie unter Wasser.
    »Hallo, Quentin«, sagte Eliot.
    »Hi«, sagte Janet.
    Die andere Frau sagte nichts. Quentin auch nicht.
    »Wir kehren zurück nach Fillory«, sagte Janet, »und wir brauchen noch einen König. Zwei Könige, zwei Königinnen.«
    »Du kannst dich nicht für immer verstecken, Quentin. Komm mit uns!«
    Da die getönte Scheibe verschwunden war und das Nachmittagslicht ins Zimmer fiel, konnte Quentin die Zeichen auf seinem Monitor nicht mehr erkennen. Die Heizanlage jaulte in dem Versuch, die kalte Luft zu bekämpfen. Irgendwo im Gebäude ertönte ein Alarmsignal.
    »Diesmal könnte es funktionieren«, sagte Eliot. »Jetzt, wo Martin weg ist. Außerdem haben wir nie herausgefunden, welches deine Disziplin ist. Stört dich das nicht?«
    Quentin starrte sie an. Es dauerte einige Augenblicke, bis er seine Stimme wiederfand.
    »Was ist mit Josh?«, fragte er. »Fragt ihn doch.«
    »Der arbeitet an einem anderen Projekt«, erwiderte Janet und verdrehte die Augen. »Er meint, er könne von den Nirgendlanden aus nach Mittelerde gelangen. Er glaubt im Ernst, er könnte eine Elfenfrau bumsen.«
    »Ich dachte daran, Königin zu werden«, fügte Eliot hinzu. »Wie sich herausgestellt hat, ist man in Fillory diesbezüglich sehr offen. Aber am Ende muss man sich eben doch den Vorschriften beugen.«
    Quentin stellte seinen Kaffee ab. Es war schon lange her, dass er irgendwelche anderen Gefühle außer Trauer, Scham und Betäubung empfunden hatte, so lange, dass er im ersten Moment nicht erkannte, was in seinem Inneren vor sich ging. Unwillkürlich spürte er, wie Gefühl in eine Region zurückkehrte, die er für immer abgestorben geglaubt hatte. Es tat weh. Aber zugleich wollte er mehr davon.
    »Warum tut ihr das?«, fragte Quentin langsam und vorsichtig. Er musste Gewissheit haben. »Nach allem, was mit Alice passiert ist? Warum wollt ihr dorthin zurückkehren? Und warum wollt ihr, dass

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