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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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das längste Welters-Spiel, an das sich irgendjemand erinnern konnte. Nach Stunden berührte der attraktive Kapitän der Botaniker endlich die Grenzen seines Sandquadrats mit den Zehen, raffte aristokratisch sein nasses Samtgewand und ließ einen elegant gedrehten, kleinen Olivenbaum aus einem Grasquadrat im Feld der Physiker sprießen.
    »Leckt mich am Arsch!«, sagte er.
    »Damit haben die Botaniker das Spiel gewonnen!«, verkündete Professor Foxtree vom Schiedsrichtersitz aus. Er war förmlich erstarrt vor Langeweile. »Es sei denn, die Physiker können noch kontern! Wenn nicht, ist dieses verdammte Spiel endlich zu Ende. Bitte werfen Sie den Globus.«
    »Komm schon, Q«, bibberte Eliot. »Meine Fingernägel sind blau. Meine Lippen sind sicher auch blau.«
    »Und deine Eier sind auch blau«, erwiderte Quentin und nahm die schwere Murmel aus dem Steinbecken neben dem Spielfeld.
    Er blickte sich um und betrachtete die seltsame Szene, in deren Zentrum er sich befand. Sie waren immer noch dabei – fast schon besiegt, hatten sie sich noch einmal aufgerafft. Jetzt war er an der Reihe, und er warf nie daneben. Zum Glück wehte kein Wind, aber Nebel stieg auf, so dass man das andere Ende des Spielfelds kaum noch erkennen konnte. Der Nachmittag war still, bis auf das Tropfen der Bäume.
    »Quentin!«, rief ein Mädchen heiser von der Tribüne. »Quen- tin !«
    Der Dekan saß unverdrossen in seiner VIP-Loge und mimte tapfer Begeisterung. Laut schnäuzte er sich die Nase in ein Seidentaschentuch. Die Sonne schien nur noch eine ferne Erinnerung.
    Eine angenehme Leichtigkeit und Wärme durchströmte Quentin – das Gefühl war so stark und der eiskalten Realität, die ihn umgab, so entgegengesetzt, dass er sich fragte, ob jemand ihn heimlich behext hatte. Misstrauisch blickte er den glühenden Salamander an, der ihn aber lässig ignorierte. Wieder einmal hatte er den Eindruck, als zöge sich die Welt bis an die Grenzen des Spielfelds zusammen. Die Bäume und Menschen schrumpften, tanzten vor seinen Augen und wurden silbrig, solarisiert. Quentins plötzlich so erhabener Blick umfasste den unglücklichen Josh, der am Rande des Spielfelds hin- und hertigerte, tief ein- und ausatmete, und auch Janet, die die Zähne zusammenbiss und das Kinn grimmig, hungrig in seine Richtung reckte. Sie hatte Eliot untergehakt, der den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet hielt.
    Plötzlich wusste Quentin, wo das Gefühl herkam. Es war ganz einfach: Er hatte erkannt, dass er nicht den Rest seines Lebens für die Rolle büßen konnte, die er beim Tod von Amanda Orloff gespielt hatte. Er würde es nie vergessen können, aber er würde lernen, damit zu leben. Das würde er Josh erklären müssen. Er würde die Herkunft und Wirkungsweise seiner Macht erforschen, um darauf zurückgreifen zu können, wann immer er sie brauchte. Es war sinnvoll, vor dem Ungeheuer Angst zu haben, aber nach allem, was sie durchgemacht hatten, war es unvernünftig, Angst vor unwichtigen Dingen zu haben. Das war reine Zeitverschwendung. Er wusste nicht, ob er Josh das erklären konnte. Aber vielleicht konnte er es ihm zeigen.
    Quentin zog seinen Mantel aus, als würfe er eine kratzige, zu enge Haut ab. Er rollte die Schultern in der kalten Luft. Er wusste, er würde gleich schrecklich frieren, aber im Moment empfand er die Kälte als erfrischend. Er zielte auf den blonden Botaniker in seiner grotesken Robe, verlagerte das Gewicht ein wenig zu einer Seite, holte aus und warf den Globus gegen sein Knie. Die Kugel traf den dicken Samtstoff mit einem hörbaren, dumpfen Knall.
    »Au!« Der Botaniker fasste sich ans Bein und sah Quentin wütend an. Das würde einen Bluterguss geben! »Faul!«
    »Leck mich am Arsch«, sagte Quentin.
    Er streifte sein Hemd über den Kopf, ignorierte die entsetzten Aufschreie ringsum – es war so leicht, andere Leute zu ignorieren, wenn man wusste, wie wenig Macht sie über einen hatten – und ging hinüber zu Alice, die ihn von ihrem Quadrat aus perplex anstarrte. Vielleicht würde er das später bereuen, aber mein Gott, war das manchmal schön, ein Zauberer zu sein! Er warf Alice wie ein Feuerwehrmann über die Schulter und sprang mit ihr in das eiskalte, reinigende Wasser.

MARIE BYRD LAND
    Quentin hatte über das Geheimnis des Vierten Studienjahres gerätselt, seitdem er nach Brakebills gekommen war. Genau wie alle anderen. Die Fakten waren allgemein bekannt: Jedes Jahr im September verschwand eine Hälfte der Studierenden über

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