Fillory - Die Zauberer
Nacht aus dem Haus, still und heimlich. Niemand erwähnte ihre Abwesenheit. Die verschwundenen Kommilitonen tauchten Ende Dezember wieder auf, abgemagert, erschöpft und grüblerisch, absolut kommentarlos, und es wurde als sehr schlechtes Benehmen angesehen, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Unauffällig mischten sie sich wieder unter die anderen, und das war’s. Die andere Hälfte des Vierten Studienjahres verschwand im Januar und kehrte Ende April zurück.
Inzwischen war das erste Semester von Quentins Viertem Studienjahr fast vorüber, und er hatte bisher rein gar nichts darüber erfahren, was es mit dem seltsamen Verschwinden auf sich hatte. Das Geheimnis, wo sie hingingen und was mit ihnen geschah, wurde unwahrscheinlich gut gehütet. Sogar Studierende, die ansonsten nichts in Brakebills ernst nahmen, waren in diesem Punkt absolut eisern und verweigerten jede Auskunft.
Die alptraumhafte Erscheinung des Ungeheuers hatte jedoch jegliche Planung gekippt. Die erste Gruppe des Vierten Jahres war zu Beginn des ersten Semesters verschwunden – sie waren fort, als es geschah –, aber die zweite Gruppe, zu der auch Eliot, Janet und Josh gehörten, hatte das Studienjahr in Brakebills regulär beendet. Sie malten sich so schreckliche Dinge aus, dass sie sich als »die Verschonten« bezeichneten. Was immer die Dozenten für sie in petto hatten, war an sich schon schlimm genug, auch ohne die Bedrohung durch einen interdimensionalen Fleischfresser.
Doch nun kehrte der Alltag wieder ein. In diesem Jahr verschwand die Hälfte des Vierten Jahres pünktlich, diesmal zusammen mit einer Handvoll Kommilitonen aus dem Fünften Jahr: die zehn, die bis dahin verschont geblieben waren, wurden auf die zwei Semester aufgeteilt, fünf und fünf. Ob Zufall oder Absicht: Die Physiker sollten alle gemeinsam im Januar fortgehen.
Immer wieder kreisten die Gespräche an dem wackligen Billardtisch im Cottage um dieses Thema.
»Wisst ihr was?«, fragte Josh eines Sonntags im Dezember, als sie ihren Kater mit Cola und riesigen Mengen Frühstücksspeck bekämpften. »Ich wette, wir werden gezwungen, auf ein normales College zu gehen. Irgendeine staatliche Schule, wo wir amerikanische Literatur und Geschichte pauken müssen. Schon am zweiten Tag wird Eliot auf dem Klo weinen und um seine Gänsestopfleber und seinen Malbec betteln, während ihn irgendein Typ von hinten mit dem Lacrosse-Schläger verwöhnt.«
»Hm, interessant, was dir in deiner schwulen Phantasie so alles einfällt«, neckte ihn Janet.
»Ich weiß aus sicherer Quelle« – Eliot versuchte, die weiße Kugel über die Acht hüpfen zu lassen, wobei er beide versenkte, was ihn jedoch nicht zu kümmern schien – »aus allersicherster Quelle, dass diese ganze Heimlichtuerei um das Vierte Jahr nur Fassade ist. Eine Scharade, um die Ängstlichen abzuschrecken. Wir verbringen das ganze Semester auf Foggs Privatinsel auf den Malediven, sinnen über die vielen möglichen Universen am Beispiel weißer Sandkörnchen nach und lassen uns von Kulis Rum und Limonade servieren.«
»Ich glaube nicht, dass es auf den Malediven ›Kulis‹ gibt«, warf Alice ein. »Schon seit 1965 bildet die Inselgruppe einen unabhängigen Staat.«
»Und wieso sind bei der Rückkehr alle nur noch Haut und Knochen?«, fragte Quentin, ohne Alice zu beachten.
Janet und Eliot spielten Billard, die anderen fläzten sich auf zwei durchgesessenen antiken Sofas. Der Raum war so klein, dass sie sich ab und zu zur Seite neigen mussten, um nicht von einem Queue getroffen zu werden.
»Das kommt vom vielen Nacktbaden im warmen Wasser.«
»Ha ha ha«, machte Janet.
»Das kann Quentin bestimmt besonders gut«, bemerkte Josh.
»Deinem dicken Hintern täte ein bisschen Schwimmen jedenfalls gut.«
»Ich will nicht weg«, sagte Alice. »Kann ich nicht ein ärztliches Attest einreichen oder so? Wie die frommen Christenkinder, die vom Sexualkundeunterricht freigestellt werden? Hat von euch denn keiner Angst?«
»Oh, doch, ich fürchte mich ganz entsetzlich«, antwortete Eliot todernst. Er reichte Janet die weiße Kugel. Sie war mit Trompe-l’œil-Kratern verziert, damit sie aussah wie der Mond. »Ich bin nicht so stark wie ihr anderen. Ich bin schwach. Ich bin eine zarte Blume.«
»Keine Angst, zarte Blume«, sagte Janet und führte ihren Stoß aus, ohne hinzusehen. »Das Leiden wird dich stark machen.«
Eines Nachts im Januar wurde Quentin schließlich abgeholt.
Er hatte gewusst, dass es nachts
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