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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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die gleichen weißen Schlafanzüge. Quentin fühlte sich wie ein Patient im Irrenhaus. Er fragte sich, ob Eliot seinen derzeitigen geheimen Freund vermisste, wer immer das sein mochte.
    »Unten bin ich dem Irrenhauswärter begegnet«, berichtete er. Die Schlafanzüge hatten keine Taschen und Quentin suchte vergeblich nach irgendetwas, worin er seine Hände verbergen konnte. »Er hat mir eine Rede darüber gehalten, wie blöd ich bin und wie sehr er mich fertigmachen wird.«
    »Du hast unsere kleine Willkommensfeier verschlafen. Das ist Professor Mayakowski.«
    »Mayakowski? Wie der Dekan Mayakowski?«
    »Ja, er ist sein Sohn«, erklärte Eliot. »Ich habe mich immer gefragt, was aus ihm geworden ist. Jetzt wissen wir’s.«
    Der alte Mayakowski war der mächtigste Magier in einem internationalen Kollegium gewesen, das zwischen 1930 und 1940 an die Schule geholt worden war. Bis dahin war in Brakebills fast ausschließlich englische und amerikanische Magie gelehrt worden, doch in den 1930ern hatte die Mode der multikulturellen Zauberkunst auch das College erobert. Unter großem Aufwand und hohen Kosten wurden Professoren aus aller Herren Länder importiert, je ferner, desto besser: Schamanen in Röcken von mikronesischen Miniinseln, gebeugte, Wasserpfeife rauchende Zauberer aus den Caféhäusern der Kairoer Innenstadt, blauschwarze Tuareg-Schwarzkünstler aus Süd-Marokko. Die Legende wollte, dass Mayakowski senior aus einer entlegenen Gegend Sibiriens stammte, einer sowjetischen Blockhüttensiedlung in eisiger Kälte, wo Schamanentradition sich mit den modernsten moskowitischen Magieneuheiten vereinigte, die von Gulag-Gefangenen dorthin gebracht wurden.
    »Ich frage mich, was man verbrochen haben muss, um diesen Job zu kriegen«, wunderte sich Josh.
    »Vielleicht hat er sich darum beworben«, spekulierte Quentin. »Vielleicht gefällt es ihm hier. Das ist doch das Paradies für exzentrische Einzelgänger.«
    »Ich glaube, du hattest recht. Ich werde der Erste sein, der zusammenklappt«, fuhr Eliot aus dem Zusammenhang gerissen fort. Er befühlte den weichen Flaum auf seinen Wangen. »Mir gefällt’s hier nicht. Und von dem Ding krieg ich Ausschlag.« Er befühlte den Stoff des Brakebills-Schlafanzugs. »Ich glaube, da ist schon ein Fleck drauf.«
    Jane rieb ihm beruhigend über den Arm. »Du schaffst das schon. Du hast Oregon überlebt. Ist es hier schlimmer als in Oregon?«
    »Ob er mich wieder zurück in eine Gans verwandelt, wenn ich ihn freundlich darum bitte?«
    »Oh, nein!«, quietschte Alice. »Nie wieder! Ist euch klar, dass wir Käfer gegessen haben? Käfer!«
    »Was heißt hier ›nie wieder‹? Was denkst du, wie wir hier wieder wegkommen?«
    »Wisst ihr, was mir am Gänsedasein gefallen hat?«, fragte Josh. »Ich konnte hinscheißen, wo ich wollte.«
    »Ich fliege nicht wieder den ganzen Weg zurück«, sagte Eliot und warf einen weißen Kieselstein hinaus in den weißen Dunst, wo er unsichtbar wurde, bevor er am Boden auftraf. »Ich fliege über den Südpol und dann weiter nach Australien. Oder nach Neuseeland – die Weinberge sind da absolute Klasse. Irgendein netter Schaffarmer wird mich aufnehmen, mit Sauvignon blanc tränken und meine Leber in leckere Foie gras verwandeln.«
    »Vielleicht könnte dich Professor Mayakowski in einen Kiwi verwandeln«, schlug Josh vor.
    »Kiwis können nicht fliegen.«
    »Egal, er sah mir nicht so aus, als würde er uns gerne kleine Sonderwünsche erfüllen«, bemerkte Alice.
    »Er muss viel alleine sein«, gab Quentin zu bedenken. »Vielleicht sollte er uns leidtun.«
    Janet schnaubte.
    »Quak quak quak quak quak!«
     
    In Brakebills Süd gab es keine zuverlässige Methode, die Zeit zu messen. Es gab keine Uhren und die Sonne war eine stumpfe, unbewegliche, weiße Fluoreszenz, die unverrückbar einen Finger breit über dem Horizont schwebte. Sie erinnerte Quentin an die Wächterin, die immer wieder versuchte, die Zeit anzuhalten. Sie hätte diesen Ort geliebt.
    An diesem ersten Vormittag blieben sie scheinbar endlos lange auf dem Westturm beisammen und redeten, dicht aneinandergedrängt, um all das Fremde zu verarbeiten, das sie erlebt hatten. Niemand hatte Lust, wieder hinunterzugehen, nicht mal, als sie kaum noch stehen konnten und in Schweigen versanken. Lieber setzten sie sich an die Steinmauer und starrten einfach hinaus in die blasse, diesige Ferne, umgeben von dem merkwürdigen, diffusen, alles durchdringenden weißen Licht, das vom Schnee reflektiert

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