Fillory - Die Zauberer
auf der sie lauter leckere Sachen fanden: Wasserkresse, Luzerne und Klee. Als die fahle graue Küste der Antarktis am Horizont auftauchte, betrachteten sie sie nicht mit Erleichterung, sondern mit kollektiver Resignation. Das war kein Zufluchtsort. Es gab keinen Gänsenamen für dieses Land, denn Gänse verirrten sich nicht hierher, und wenn, kehrten sie niemals von dort zurück. Quentin sah, wie hier magnetische Spuren und Gleise in der Luft zusammenliefen. Von allen Seiten bogen sie sich aufeinander zu, wie die Längengrade am Boden eines Globus. Das Brakebills-V flog zwei Meilen hoch, und selbst aus dieser Höhe konnte man durch die trockene salzige Luft die runzligen, grauen Schwellungen am Boden klar wie durch ein Teleskop erkennen.
Statt eines Strandes kroch ein Saum schroffer Felsen vorbei, auf dem sich bizarre, unverständlich kreischende Pinguine drängten. Dann begann das nackte weiße Eis, der gefrorene Schädel der Erde. Quentin war müde. Durch das dünne Federkleid hindurch zerrte die Kälte an seinem kleinen Körper. Er wusste nicht mehr, was sie in den Lüften hielt. Wenn einer fallen würde, das war ihm klar, würden alle aufgeben. Sie würden einfach die Flügel zusammenfalten und sich in den porzellanweißen Schnee stürzen, der sie alle genüsslich verschlingen würde.
Plötzlich wippte das Gleis, dem sie folgten, nach unten wie eine Wünschelrute und sie rutschten und glitten erleichtert daran hinunter. Sie nahmen den Verlust an Höhe in Kauf; dafür wurden sie schneller und von der Anstrengung erlöst, mit ihren brennenden Flügeln die Flughöhe zu halten. Quentin erkannte jetzt, dass mitten im Schnee ein Steinhaus stand, eine Anomalie in der ansonsten monotonen, glatten, weißen Landschaft. Es war ein Ort der Menschen, und Quentin hätte ihn normalerweise gefürchtet. Er hätte darauf geschissen, wäre daran vorbeigesaust und hätte ihn anschließend vergessen.
Aber das war unmöglich, ihre Spur endete hier, bohrte sich in eines der vielen, schneebedeckten Dächer des Hauses. Sie waren jetzt so nahe, dass Quentin einen Mann erkennen konnte, der sie auf dem Dach erwartete. Er hielt einen langen Stab in einer Hand. Der Drang, von ihm wegzufliegen, war stark, aber es gab kein Entkommen. Sie waren zu entkräftet und die magnetische Logik der Spur hielt sie gefangen.
In letzter Sekunde wölbte Quentin seine steifen Flügel. Sie fingen den Wind ein wie Segel, schluckten den Rest seiner kinetischen Energie und bremsten seinen Fall. Er platschte auf das Schneedach und blieb liegen, hechelnd in der dünnen Luft. Seine Augen waren trübe. Der Mensch hatte sich nicht bewegt. Zum Teufel mit ihm! Er konnte mit ihnen machen, was er wollte, sie rupfen, ausnehmen, stopfen und braten, Quentin war alles egal, wenn er nur noch einen Moment seine schmerzenden Flügel ausruhen konnte.
Der Mann formte einen seltsamen Laut mit seinen fleischigen Lippen und stieß das untere Ende des Stabes auf das Dach. Fünfzehn bleiche, nackte junge Menschen lagen im Schnee unter der fahlen Polarsonne.
Quentin erwachte in einem kahlen weißen Schlafzimmer. Er hätte nicht mal auf den Tag genau erraten können, wie lange er geschlafen hatte. Er betrachtete seine groben, rosa Menschenhände mit den federlosen Stummelfingern. Er hob sie hoch und berührte sein Gesicht damit. Dann seufzte er und fand sich resigniert damit ab, wieder ein Mensch zu sein.
In dem Raum waren nur sehr wenige Gegenstände, alle weiß: weiße Bettwäsche, weiß getünchte Wände, der raue, geschnürte Schlafanzug, den er trug, ein weiß lackiertes Metallbett, weiße Pantoffeln, die auf dem kalten Steinfußboden für ihn bereitstanden. Als Quentin aus dem kleinen quadratischen Fenster blickte, erkannte er, dass er sich im zweiten Stock befand. Alles, was er sah, waren auseinandergerissene Schneefelder unter einem weißen Himmel. Sie erstreckten sich bis zum Horizont, einer bedeutungslosen weißen Linie in unermesslicher Ferne. Mein Gott, wo war er hier bloß gelandet?
Quentin schlurfte hinaus in den weißen Korridor, immer noch im Schlafanzug und einem dünnen Morgenmantel, den er an einem Haken an der Tür gefunden hatte. Er gelangte hinunter in einen stillen, luftigen Saal mit Holzdecke. Die Atmosphäre erinnerte entfernt an eine alpine Skihütte. Ein langer Tisch mit Bänken nahm den größten Teil des Saales ein.
Quentin setzte sich. Ein hochgewachsener Mann saß allein am anderen Ende des Tisches, eine Tasse Kaffee in beiden Händen. Trübe
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