Fillory - Die Zauberer
zusammenhangloser. Quentin spielte noch immer, aber weniger und weniger seiner Fuchsgefährten beteiligten sich. Eliot verschwand als pfeilschneller Strich hinaus in die Schneedünen. Das Rudel schrumpfte auf zehn, dann auf acht. Wohin verschwinden die anderen? Fragen schossen durch Quentins Fuchsgehirn. Und was war das für ein unglaublich wunderherrlicher Duft, der ihm andauernd in die Nase stieg? Da, da war er wieder! Diesmal stürzte er sich auf die Quelle des Geruchs und vergrub seine schnüffelnde Schnauze tief in ihrem Fell. Denn mit den letzten Resten seines Bewusstseins hatte er schon längst begriffen, dass der Duft von Alice ausging.
Es war ganz und gar gegen die Regeln, aber die Regeln zu brechen erwies sich als genauso lustig wie ihnen zu gehorchen. Wieso war er darauf noch nie gekommen? Das Spiel der anderen wurde immer wilder – sie versuchten nicht mal mehr, hinter dem Eisstück herzujagen – und zerfiel in kleine Knäule rangelnder Füchse. Und er balgte sich mit Alice. Füchsische Hormone und Instinkte wallten auf, übernahmen das Kommando und überwältigten, was an rationalem menschlichen Verstand noch übrig war.
Er biss in ihr dickes Nackenfell. Es schien ihr kein bisschen wehzutun, oder wenn, war der Schmerz nicht leicht von Genuss zu unterscheiden. Etwas Verrücktes und Triebhaftes bahnte sich an, und es gab keine Möglichkeit, es aufzuhalten. Und wenn schon, warum sollten sie? Aufzuhören war einer dieser sinnlosen, lebensfeindlichen menschlichen Impulse, für die sein fröhliches kleines Fuchshirn nichts als Verachtung übrig hatte.
Er erhaschte einen Blick auf Alice’ wildes, dunkles Fuchsauge. Erst vor Angst verdreht, dann vor Lust halb geschlossen. Ihre winzigen kurzen Atemstöße bildeten weiße Wölkchen in der Luft, die sich vermischten und dann auflösten. Ihr weißer Fuchspelz war rau und weich zugleich, und sie gab jedes Mal ein kleines jaulendes Knurren von sich, wenn er tiefer in sie eindrang. Er wünschte, es würde niemals aufhören.
Der Schnee brannte unter ihnen, rotglühend wie ein Kohlenbett. Sie brannten, und sie ließen sich vom Feuer verzehren.
Für einen außenstehenden Beobachter hätte das Frühstück am nächsten Morgen nicht anders ausgesehen als sonst auch. Alle schlurften in ihren weiten, weißen Brakebills-Süd-Uniformen herein, setzten sich hin, ohne ein Wort zu sagen oder einander anzusehen, und aßen, was man ihnen vorsetzte. Doch Quentin fühlte sich wie auf dem Mond. Er ging in riesigen Zeitlupeschritten, umgeben von der rauschenden Stille des Vakuums, während ihn ein Millionenpublikum beobachtete. Er wagte es nicht, irgendjemanden anzusehen, schon gar nicht Alice.
Sie saß auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches, drei Plätze weiter, äußerlich ruhig und unbewegt, still auf ihr Müsli konzentriert. Er hätte nicht einmal ansatzweise erraten können, was sie dachte – obwohl er wusste, was allen anderen im Kopf herumging. Er war sich sicher, dass sie wussten, was geschehen war. Mein Gott, sie waren mitten im Freien gewesen! Oder hatten alle anderen das Gleiche getan? Hatten sich alle zu Paaren zusammengefunden? Sein Gesicht fühlte sich heiß an. Er wusste nicht mal, ob sie Jungfrau war. Und wenn sie es gewesen war, ob sie es immer noch war.
Das alles wäre viel einfacher gewesen, wenn er sich darüber im Klaren gewesen wäre, was es für ihn bedeutete, aber das war es nicht. Konnte es sein, dass er in Alice verliebt war? Er versuchte, seine Gefühle für sie mit dem zu vergleichen, was er für Julia empfunden hatte, soweit er sich noch daran erinnerte, aber seine Empfindungen für die eine und die andere waren grundlegend verschieden. Die ganze Situation war außer Kontrolle geraten, mehr nicht. Es waren nicht sie, sondern ihre Fuchsgestalten gewesen. Sie alle sollten die Sache nicht zu ernst nehmen.
Mayakowski saß mit einem höchst selbstgefälligen Gesichtsausdruck am Tischende. Quentin wurde wütend bei dem Gedanken, dass er vorher gewusst hatte, was passieren würde. Er stach mit der Gabel in sein Käsestück. Eine Gruppe junger Leute, zwei Monate lang eingesperrt in dieser Festung der Einsamkeit, dann in die Körper dummer geiler Tiere gesteckt. Natürlich mussten sie durchdrehen.
Welche perverse persönliche Befriedigung Mayakowski auch immer daraus zog, jedenfalls zeigte sich in den nächsten Wochen, dass es zugleich auch ein geschickter Personal-Management-Schachzug gewesen war. Quentin jedenfalls widmete sich von nun an
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