Fillory - Die Zauberer
ausreichend vorzubereiten, aber sie zogen sich lange genug hin, um die Entscheidung wie ein Damoklesschwert über sich hängen zu fühlen. Ja oder Nein, rein oder raus? Mayakowski betonte, dass die Sicherheitsmaßnahmen minimal seien. Er würde sich Mühe geben, sie draußen nicht aus den Augen zu verlieren, aber er könne nicht garantieren, dass er bei einem Fehler ihrerseits ihren reuigen, unterkühlten Hintern rechtzeitig retten könne.
Sie mussten sich noch über so vieles informieren. War Sonnenbrand ein Problem? Schneeblindheit? Wäre es besser, die Fußsohlen zu härten, oder sollten sie lieber versuchen, eine Art magischer Fußbekleidung zu erschaffen? Gab es eine Möglichkeit, sich in der Küche Hammelfett zu besorgen, das sie für Schkhartischwilis umhüllenden Wärmezauber brauchten? Und wenn die Prüfung keine Pflicht war, warum sollten sie sich ihr dann überhaupt unterziehen? Was würde geschehen, wenn sie es nicht schafften? Irgendwie klang das Ganze mehr nach Ritual oder Schikane als nach einer Abschlussprüfung.
Am Morgen des Prüfungstags erwachte Quentin mit der Absicht, in der Küche nach Zauberzutaten zu suchen, die er heimlich mit auf die Reise nehmen konnte. Denn er hatte sich entschlossen, teilzunehmen. Er musste wissen, ob er es schaffen konnte oder nicht. So einfach war das.
Die meisten Küchenschränke waren abgeschlossen – er war vermutlich nicht der erste Student, der schummeln wollte –, aber es gelang ihm wenigstens, sich die Taschen mit Mehl zu füllen, eine herumliegende Silbergabel einzustecken und einige grün ausschlagende Knoblauchzehen mitgehen zu lassen. Wer weiß, wozu er sie gebrauchen konnte. Dann ging er hinunter.
Alice erwartete ihn auf dem Treppenabsatz.
»Ich muss dich etwas fragen«, sagte sie, feste Entschlossenheit in der Stimme. »Liebst du mich? Wenn nicht, ist es auch okay, ich möchte es nur gerne wissen.«
Sie schaffte es, alle Worte herauszubringen, nur beim letzten Satz musste sie flüstern.
Seit dem Nachmittag, an dem sie beide als Füchse zusammengewesen waren, hatte er ihr nicht mehr in die Augen gesehen. Das war mindestens drei Wochen her. Jetzt standen sie einander gegenüber auf dem glatten, eiskalten Steinfußboden, erbärmlich menschlich. Wie konnte eine junge Frau, die sich seit fünf Monaten die Haare weder gewaschen noch geschnitten hatte, nur so schön sein?
»Ich weiß es nicht«, antwortete er. Seine Stimme war kratzig, so lange war sie nicht benutzt worden. Die Worte waren beängstigender als jeder Zauber, den er jemals gesprochen hatte. »Ich meine, man sollte glauben, ich wüsste es, aber ich weiß es wirklich nicht.«
Er versuchte, leichthin und oberflächlich zu klingen, aber sein Körper fühlte sich merkwürdig schwer an. Der Fußboden schoss beängstigend schnell in die Höhe, mit ihnen beiden darauf. In dem Moment, in dem er klar und ganz bewusst hätte sein müssen, wusste er nicht, ob er log oder die Wahrheit sprach. Wo er doch so viel Zeit hier verbracht und so viel studiert und gelernt hatte, warum hatte er dann dieses Eine nicht gelernt? Er enttäuschte nicht nur Alice, sondern auch sich selbst.
»Ist schon okay«, sagte sie mit einem schnellen kleinen Lächeln, bei dem sich die Bänder zusammenzogen, die Quentins Herz an seinem Platz hielten. »Ich habe es mir gedacht. Ich habe nur Angst davor gehabt, dass du mich anlügen würdest.«
Er war verwirrt. »Sollte ich denn lügen?«
»Schon gut, Quentin. Es war schön. Der Sex, meine ich. Dir ist doch klar, dass es richtig ist, manchmal etwas Schönes zu genießen, oder?«
Sie ersparte ihm eine Antwort, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn auf den Mund küsste. Ihre Lippen waren aufgesprungen, ihre Zunge aber weich und warm. Sie fühlte sich wie das letzte Warme auf der Welt an.
»Bitte versuch, nicht zu sterben«, sagte sie.
Sie tätschelte seine raue Wange, lief vor ihm die Treppe hinunter und verschwand im frühmorgendlichen Zwielicht.
Nach diesen qualvollen Momenten erschien die bevorstehende Prüfung beinahe nebensächlich. Sie wurden einzeln hinaus auf das Schneefeld gebracht, um eine Zusammenarbeit zwischen ihnen zu erschweren. Als Erstes hieß Mayakowski Quentin, sich auszuziehen – so viel zu Mehl, Knoblauchzehen und verbogener Silbergabel – und nackt durch den Zauberschutzschild zu treten, der die Temperatur in Brakebills Süd erträglich machte. Als er die unsichtbare Grenze passierte, traf ihn die Kälte zuerst ins Gesicht. Sie
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