Fillory - Die Zauberer
»Außerhalb von New York.«
BRAKEBILLS
Er lachte nicht. Quentin würde das später zu schätzen wissen.
»Außerhalb?«, fragte Quentin. »Wo denn, in Vassar oder so?«
»Ich habe dich durchkommen sehen«, sagte der junge Mann statt einer Antwort. »Komm, du musst jetzt rauf zum Haus gehen.«
Er schnippte die Zigarettenkippe weg und machte sich auf den Weg über den weitläufigen Rasen. Er blickte sich nicht um, um zu sehen, ob Quentin ihm folgte, was dieser zunächst auch nicht tat. Aber dann wurde Quentin plötzlich von der Furcht ergriffen, allein an diesem Ort zurückzubleiben, und eilte im Laufschritt hinterher.
Die Grünfläche war riesig, so groß wie ein halbes Dutzend Fußballfelder. Sie zu überqueren schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Die Sonne brannte Quentin im Nacken.
»Wie heißt du?«, fragte der junge Mann, in einem Ton, aus dem so viel unverhohlene Gleichgültigkeit sprach, dass Quentin gar nicht erst auf die Idee kommen konnte, er interessiere sich ernsthaft für die Antwort. »Quentin.«
»Reizend. Woher?«
»Brooklyn.«
»Wie alt?«
»Siebzehn.«
»Ich bin Eliot. Red nicht weiter, mehr will ich von dir gar nicht wissen.«
Quentin musste sich beeilen, um mit Eliot Schritt zu halten. Irgendwas war komisch an Eliots Gesicht. Während seine Haltung kerzengerade schien, war sein Mund zu einer Seite hin verzogen, in einer unentwegten Halbgrimasse, die krumme und schiefe, in unwahrscheinlichen Winkeln vor- und zurückstehende Zähne entblößte. Als wäre bei seiner Geburt etwas gründlich danebengegangen, als hätte man ihn mit einer verbogenen Hebammenzange rausgezogen.
Trotz seines merkwürdigen Aussehens besaß Eliot jedoch eine Art müheloser Selbstbeherrschung, die bewirkte, dass sich Quentin intensiv seine Freundschaft wünschte. Oder einfach für eine Weile in seine Haut zu schlüpfen. Ganz offensichtlich gehörte er zu den Menschen, die sich in der Welt zu Hause fühlten wie ein Fisch im Wasser, während er selbst ständig paddeln musste wie ein Hund, qualvoll und entwürdigend, nur um an der Oberfläche ein bisschen Luft zu schnappen.
»Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte Quentin. »Lebst du hier?«
»In Brakebills?«, fragte Eliot lässig. »Ja, könnte man sagen.« Sie hatten das andere Ende des Rasens erreicht. »Wenn man das Leben nennen kann.«
Eliot führte Quentin durch eine Lücke in einer hohen Hecke. Sie gelangten in ein üppig belaubtes, schattiges Labyrinth. Die Büsche waren sauber und akkurat zu engen, verzweigten, kompliziert verästelten Korridoren gestutzt, die sich regelmäßig zu kleinen schattigen Lauben und Innenhöfen öffneten. Das Gebüsch war so dicht, dass kein Licht hindurchdrang, aber hier und da fiel ein breites Bündel Sonnenstrahlen von oben auf den Weg. Sie kamen an plätschernden Springbrunnen und düsteren, vom Regen blankgewaschenen weißen Steinstatuen vorbei.
Nach gut fünf Minuten verließen sie den Irrgarten durch eine Öffnung zwischen den Sträuchern. Sie wurde von zwei Baumschnittfiguren flankiert, die auf den Hinterbeinen stehende Bären darstellten. Von dort aus gelangten sie auf eine Steinterrasse im Schatten des großen Hauses, das Quentin von ferne gesehen hatte. Er hätte schwören können, dass einer der großen, belaubten Bären ganz kurz den Kopf in seine Richtung gedreht hatte.
»Der Dekan wird jeden Moment runterkommen, um dich zu begrüßen«, erklärte Eliot. »Ich geb dir einen guten Rat: Setz dich da hin«, – und er zeigte auf eine verwitterte Steinbank, als weise er einen allzu anhänglichen Hund in seine Schranken –, »und tu so, als gehörtest du hierher. Und wenn du ihm erzählst, dass du mich hast rauchen sehen, verbanne ich dich in den niedrigsten Kreis der Hölle. Ich bin zwar noch nicht dagewesen, aber nach allem, was ich gehört habe, muss es da fast so schlimm sein wie in Brooklyn.«
Eliot verschwand wieder in dem grünen Irrgarten, und Quentin ließ sich gehorsam auf die Bank sinken. Er starrte hinunter auf die grauen Steinfliesen zwischen seinen Bewerbungsschuhen und auf den Rucksack und den Mantel in seinem Schoß. Das ist unmöglich, dachte er ganz klar. Er formte die Worte im Geist, aber sie schienen keinerlei Bezug zu seiner Umgebung zu haben. Er fühlte sich wie auf einem recht angenehmen Drogentrip. In die Fliesen war ein verzwicktes Muster aus verschlungenen Weinranken eingraviert. Vielleicht waren es aber auch kunstvoll kalligraphierte Wörter, die bis zur Unleserlichkeit verwittert
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