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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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waren. Staubteilchen und Blütenpollen schwebten im Sonnenlicht. Wenn das eine Halluzination ist, dachte Quentin, ist sie ziemlich realistisch.
    Die Stille war das Befremdlichste. Wie sehr er sich auch anstrengte, er hörte nicht ein einziges Auto. Er hatte das Gefühl, in einem Film zu sitzen, bei dem man plötzlich den Ton abgestellt hatte.
    Eine Glasflügeltür klapperte ein paarmal und wurde dann geöffnet. Ein großer dicker Mann in einem Leinenanzug trat heraus auf die Terrasse.
    »Guten Tag«, sagte er. »Sie müssen Quentin Coldwater sein.«
    Er sprach äußerst korrekt, als hätte er gern einen englischen Akzent, sei aber nicht prätentiös genug, einen nachzuahmen. Er hatte ein wohlwollendes, offenes Gesicht und schüttere blonde Haare.
    »Ja, Sir.« Quentin hatte noch nie einen Erwachsenen – oder sonst irgendjemanden – »Sir« genannt, aber auf einmal fühlte es sich angemessen an.
    »Willkommen am Brakebills College«, sagte der Mann. »Ich nehme an, Sie haben von uns gehört?«
    »Um ehrlich zu sein, nein«, erwiderte Quentin.
    »Nun gut. Sie wurden für eine Aufnahmeprüfung bei uns ausgewählt. Möchten Sie daran teilnehmen?«
    Quentin wusste nicht, was er sagen sollte. Das war keine Frage, auf die er sich vorbereitet hatte, als er heute Morgen aufgestanden war.
    »Ich weiß nicht«, sagte er und blinzelte mit den Augen. »Ich meine, ich bin mir nicht sicher.«
    »Eine absolut verständliche Antwort, aber leider keine akzeptable, befürchte ich. Sie müssen sich entscheiden: Ja oder Nein. Es geht hier ja nur um die Prüfung«, fügte er hilfsbereit hinzu.
    Quentin wurde von der irrationalen, aber überwältigenden Vorahnung heimgesucht, was geschehen würde, wenn er ablehnte. Alles wäre vorbei, ehe er auch nur die Silbe »Nein« ganz ausgesprochen hätte. Er würde wieder in dem kalten Regen und der Hundescheiße auf der First Street stehen und sich fragen, warum er einen Moment lang warme Sonnenstrahlen im Nacken gespürt hatte. Aber dazu war er noch nicht bereit. Noch nicht.
    »Okay, von mir aus«, antwortete er, in dem Versuch, nicht zu eifrig zu klingen. »Ja.«
    »Wundervoll.« Der Mann gehörte zu jenen immerfröhlichen Menschen, bei denen die Heiterkeit nicht ganz bis hinauf zu den Augen reichte. »Dann wollen wir Sie mal prüfen. Mein Name ist Henry Fogg – keine Witze über den Namen bitte, die kenne ich alle –, und Sie können mich mit Dekan ansprechen. Folgen Sie mir. Sie müssten der Letzte sein, wenn ich mich nicht irre«, fügte er hinzu.
    Quentin war nicht im Geringsten zum Scherzen aufgelegt. Im Inneren des Hauses war es ruhig und kühl. Ein intensiver, würziger Geruch nach Büchern, Orientteppichen, altem Holz und Tabak lag in der Luft. Der Dekan lief ihm ungeduldig voraus. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich Quentins Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Sie hasteten durch einen Salon mit düsteren alten Bildern, einen schmalen Flur mit Holzverkleidungen an den Wänden und dann mehrere Treppen hinauf, bis sie zu einer dicken, schweren Holztür gelangten.
    Als sie sich öffnete, blickten Hunderte Augenpaare auf und starrten Quentin an. Der Raum war lang und hoch und voller Holztische, die in Reihen aufgestellt waren. An jedem Pult saß ein Teenager mit ernster Miene. Es war ein Klassenzimmer, aber nicht eines von denen, an die Quentin gewöhnt war, wo die Wände aus Beton bestanden und bedeckt waren mit Zetteln und Postern von kleinen Katzen, die in Bäumen hingen, und unter denen in riesigen Lettern Halt durch, Baby! stand. Die Wände dieses Zimmers bestanden aus alten Steinen. Der Raum war sonnenlichtdurchflutet und schien sich endlos weit zu erstrecken, wie bei einem raffinierten Spiegeltrick.
    Die meisten Jugendlichen waren etwa in Quentins Alter oder etwas jünger und gaben sich trotz ihrer Nervosität nach außen hin genauso cool wie er. Aber nicht alle. Er sah mehrere Punks mit Irokesenschnitt oder Glatzen und auch eine relativ große Gruppe von Gothics. Ein viel zu großes Mädchen mit einer viel zu großen, roten Brille grinste blöde in die Runde. Einige der jüngeren Mädchen sahen aus, als hätten sie geweint. Ein Junge trug kein Hemd und sein Rücken war mit roten und grünen Tätowierungen bedeckt. Mein Gott, dachte Quentin, welche Eltern erlauben denn so was? Ein Teenager saß in einem elektrischen Rollstuhl. Einem anderen fehlte der linke Arm. Er trug ein dunkles Oberhemd, dessen linker Ärmel zusammengefaltet war und von einer silbernen Klammer

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