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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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einem mikroskopisch kleinen Schnörkel geschrumpft.
    Der schwarze Fleck war höher als breit und hüpfte bei jedem seiner Schritte auf und ab – also musste es ein externes Objekt sein und keine Beschädigung der Hornhaut. Außerdem wurde es immer größer. Es war Mayakowski, der mutterseelenallein im pulverigen Nichts stand und eine Decke hochhielt. Er musste am Pol sein. Quentin hatte vollkommen vergessen, wo er hinlief und warum.
    Als er dicht genug herangekommen war, fing Mayakowski ihn ein. Der große Mann grunzte, wickelte ihn in die dicke, kratzige Decke und warf ihn in den Schnee. Quentins Beine bewegten sich noch ein paar Augenblick von allein weiter. Dann blieb er still liegen. Keuchend lag er auf der Seite, hin und wieder zuckte er wie ein geangelter Fisch. Zum ersten Mal nach neun Tagen hielt er im Laufen inne. Der Himmel drehte sich. Er würgte.
    Mayakowski ragte über ihm auf.
    » Molodyetz , Quentin. Guter Mann. Guter Mann. Du hast es geschafft. Du gehst nach Hause.«
    Mayakowskis Stimme klang irgendwie komisch. Der zynische Unterton war verschwunden, stattdessen schwang tiefe Rührung mit. Ein schiefes Lächeln entblößte für einen Moment die gelben Zähne im unrasierten Gesicht des älteren Magiers. Mit einer Hand zog er Quentin auf die Füße, mit der anderen winkte er, und ein Portal öffnete sich in der Luft. Ohne zu zögern schob er Quentin hindurch.
    Quentin stolperte und fiel in ein psychedelisches grünes Chaos, das ihn so heftig überfiel, dass er es zunächst nicht als die hintere Terrasse von Brakebills an einem heißen Sommertag erkannte. Nach der weißen Leere des Polareises kam ihm der Campus wie ein halluzinatorischer Wirbel von Geräuschen, Farben und Wärme vor. Er kniff die Augen fest zusammen. Er war zu Hause.
    Quentin rollte sich über den glühend heißen, glatten Steinen auf den Rücken. Die Vögel sangen ohrenbetäubend laut. Dann erhaschte er einen Blick auf etwas, das noch seltsamer war als die Bäume und das Gras: Als er durch das Portal zurückblickte, konnte er noch immer den großen, rundschultrigen Zauberer vor dem Hintergrund der Antarktis stehen sehen. Er befand sich mitten in einer Wolke aufgewirbelter Schneeflocken. Einige Kristalle schwebten durch das Portal und verdampften unterwegs. Es sah aus wie ein oval gerahmtes Gemälde, das mitten in der Luft aufgehängt worden war. Doch das magische Fenster schloss sich bereits. Mayakowski musste in sein leeres Polarschloss zurückkehren. Er winkte, aber Mayakowski sah ihn nicht an. Er blickte über den Irrgarten und den Campus von Brakebills. Die Sehnsucht, die sich in diesem scheinbar unbeobachteten Moment in seinem Gesicht widerspiegelte, war so quälend, dass Quentin den Blick abwenden musste.
    Dann schloss sich das Portal. Es war vorbei. Es war Ende Mai und die Luft voller Blütenstaub. Nach der dünnen Atmosphäre in der Antarktis schmeckte sie heiß und dick wie Suppe. Der Augenblick ähnelte sehr jenem, in dem Quentin nach Brakebills gelangt war, direkt aus dem eiskalten Brooklyn-Nachmittag heraus. Die Sonne brannte vom Himmel. Er nieste.
    Alle erwarteten ihn. Jedenfalls fast alle: Eliot, Josh und Janet. Sie trugen ihre alten Schuluniformen, sahen dick, glücklich, entspannt und kein bisschen ausgepumpt aus, als hätten sie in den letzten sechs Monaten nichts anderes getan, als auf dem Hintern zu sitzen und Käsetoasties zu essen.
    »Willkommen zu Hause«, sagte Eliot. Er futterte eine gelbe Birne. »Wir haben erst vor zehn Minuten erfahren, dass du vielleicht gleich rauskommen würdest.«
    »Wow!«, rief Josh mit weit aufgerissenen Augen. »Bist du dünn! Hier ist ein Zauberer, der dringend was zu essen braucht. Und vielleicht auch eine Dusche.«
    Quentin wusste, dass ihm höchstens ein, zwei Minuten blieben, bis er in Tränen ausbrechen und in Ohnmacht fallen würde. Er hatte immer noch Mayakowskis kratzige Wolldecke umgeschlagen. Er blickte hinunter auf seine blassen, eiskalten Füße. Es sah so aus, als wäre nichts erfroren, nur ein Zeh stand in einem merkwürdigen Winkel ab, schmerzte aber noch nicht.
    Es war sehr, sehr angenehm, köstlich, schwindelerregend angenehm, rücklings auf den heißen Steinen zu liegen, während die anderen auf ihn hinunterblickten. Er wusste, dass er lieber aufstehen sollte, wenn auch nur aus Höflichkeit, aber er hatte noch keine Lust, sich zu bewegen. Er konnte es sich wohl auch erlauben, noch einen kleinen Augenblick liegen zu bleiben. Er hatte sich eine Pause

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