Film ab im Internat
Ohr.
Die arme Sofie schreckt hoch und sieht sich so verwirrt um, als hätte sie nicht nur ein leibhaftiges Gespenst gesehen, sondern auch gehört.
„Mon Dieu!“, haucht sie und fasst sich an die Brust.
„Aufwachen, Süße!“, raunt Manu ihr zu. „It’s party time!“
„Aber wir wollten eine Mitternachtsparty feiern“, wendet Sofie ein und gähnt. „Es ist noch nicht so weit.“
„Ach, das sagt man nur so“, winkt Manu ab.
„Genau“, schließt Carlotta sich an. „Party bleibt Party. Man kann auch schon vor Mitternacht feiern, finde ich. Immerhin muss ich im Morgengrauen schon wieder aufstehen, um pünktlich bei den Dreharbeiten zu sein. Ich will vorher wenigstens noch ein paar Stündchen schlafen. Ein Filmstar braucht seinen Schönheitsschlaf.“
Sofie gibt sich geschlagen. „Na dann“, murmelt sie und klettert zu Manu ins Bett.
Carlotta folgt ihrem Beispiel. Es ist zwar etwas eng, so zu dritt in dem schmalen Bett, aber dafür umso gemütlicher.
Manu drückt auf eine pralle Chipstüte, die mit einem Knall aufspringt und ihren Inhalt über die Bettdecke versprengt.
„Haut rein, Mädels!“
Carlotta hat eine Tüte Lakritzschnecken und Minitütchen mit Gummibärchen und Colafläschchen in die Mitte geworfen. Sofie spendiert köstliche belgische Trüffelschokolade.
„Jam-jam“, macht Manu. „Ich liebe Mitternachtspartys!“
„Ich auch“, schmatzt Carlotta im Schein ihrer Taschenlampe. „Die Schokolade ist soo lecker!“
„Hoffentlich wird uns nicht übel.“ Sofie knabbert an einem Kartoffelchip, in der anderen Hand hat sie eine Lakritzschnecke.
Manu trinkt einen Schluck Cola und lässt die Flasche herumgehen. „Du immer mit deinen Bedenken. Sei doch mal locker!“
Sofie schüttelt ihre Arme und Beine aus. „Gut so?“
„Perfekt“, meint Manu.
„Was haltet ihr davon, wenn wir nachher noch eine Runde durchs Schloss wandern?“, fragt Carlotta. „Wir könnten die Barbies erschrecken.“
„Super Idee!“, grinst Manu.
„Ihr wollt im Dunkeln durch das Schloss gehen?“ Sofie reißt entsetzt die Augen auf. „Ohne mich!“
„Mit dir!“, sagt Carlotta energisch. „Oder hast du etwa Angst?“
Sofie nagt an ihrer Lakritzschnecke und nickt.
„Wir sind doch bei dir.“ Manu legt ihr einen Arm um die Schulter. „Mach dir keine Sorgen.“
Sie verdrücken ihre Naschsachen, spülen mit viel Cola hinterher, erzählen sich Witze und Jungsgeschichten und wetten schließlich, wer am längsten und am leisesten rülpsen kann. Manu kann eindeutig am längsten, Sofie am leisesten.
„Unentschieden“, verkündet Carlotta, die nur kurz und laut kann. Sie wirft einen Blick auf Manus Wecker. Kurz vor Mitternacht. Die perfekte Zeit, um ein bisschen durch das stille Internat zu geistern!
„Gespensterstunde“, flüstert Manu. „Auf geht’s!“
Kichernd schleichen sie aus dem Zimmer hinaus in den schwach beleuchteten Flur. Kleine Nachtlichter über den Fußleisten weisen in regelmäßigen Abständen den Fluchtweg für den Notfall und tauchen Ecken und Nischen in ein diffuses grünliches Licht.
Es sieht ein bisschen unheimlich aus, findet Carlotta. Sie spürt, wie sich eine Gänsehaut von ihrem Nacken bis über ihren Rücken ausbreitet.
„Huuhuuu …“, macht Manu.
Sofie krallt ihre Finger in Carlottas Schlafanzugärmel und stöhnt leise auf.
Carlotta denkt an die gruselige Geschichte von den beiden Prinzen, die wegen ihrer unerfüllten Liebe zu dem hübschen Mädchen für immer und ewig durchs Schloss spuken sollen. Sie schluckt. Ob sie nicht doch lieber umkehren sollen?
„Lasst uns ein bisschen bei den Barbies an der Tür kratzen“, wispert Manu unbeeindruckt und eilt voraus.
Vor der Zimmertür der drei Blondinen ist ein Notfalllämpchen defekt und flackert unregelmäßig. Direkt neben der Tür gibt es eine dunkle Nische.
Das perfekte Versteck für ein Gespenst, einen Vampir oder was sonst noch alles nach Mitternacht sein Unwesen treibt, fährt es Carlotta durch den Kopf. Die Härchen auf ihren Unterarmen richten sich auf.
Manu streckt eine Hand aus. In dem flackernden Licht sieht sie wie eine knochige Klaue aus. Carlotta kneift die Augen zusammen und hält die Luft an. Sofie jammert leise.
„Schrapp-schrapp“, machen Manus Fingernägel an der Tür und noch einmal: „Schraaaapp.“ Sie wartet einen Moment, dann klopft sie leise an, pfeift lang gezogen durch das Schlüsselloch, schrappt noch einmal über das Türblatt und murmelt etwas, das wie „Wuuhuaahaaahuuuh“
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