Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
der Nase zu bluten und größenwahnsinnige Volksreden zu halten, schätzt man sich eher nüchtern ein.
Neben dem gerne genutzten Riechorgan sind bekanntlich auch Lungen sehr empfänglich für Drogen.
„Koks rauch isch aa goanz gern.“
„Die Kids sind da viel kreativer“, meint Musti. „Schon in der neunten Klasse hauen die sich heute Wodka-Tampons rein. Die Mädels vorne, die Jungs hinten. Das würd ich mich gar net trauen!“
Apropos Kreativität, befeuert vom Kokain initiiere ich ein Wort-Spiel aus Begriffen, die trotz gleicher Schreibweise völlig unterschiedliche Bedeutung haben.
Ich lege vor: „Den Kassenwart vom Dackelclub mag keiner: vereinsamt im Vereinsamt.“
Musti lacht sich kringelig, die anderen raffen es nicht. „Ratzekrass! Jetzt ich: Der Machmut musste neulich wieder Überstunden machen: Montagabend am Montageband.“
Bei Musti kapieren es alle, kollektiver Zusammenbruch. Tränen in den Augen vor Lachen, dann kurze Regeneration.
Einer der Hessen schaltet sich ein: „Isch mag koa Aufzigg: Im Brandfalle Brandfalle!“
Der zweite Hesse schüttelt sich noch und ist mit der aktiven Teilnahme an diesem Spiel etwas überfordert. Ich helfe ihm mit einer Idee aus: „Der Technisierung kann sich kein Lebensbereich entziehen: Schäfer kauft Elektroherde.“
Spätestens nach dieser Unterhaltung ist wieder einmal klar, warum Kokain bei Kreativen so beliebt ist …
Mittlerweile bin ich beim Nachtisch angelangt — etwas Ecstasy, damit sich die ganze Angelegenheit auch wirklich nach Drogen anfühlt. Wir sind ja schließlich nicht zum Spaß hier. Dann verabschiede ich mich von Musti und den beiden Hessen und breche auf Richtung
Club 101
— drauf bis in die Haarspitzen.
Der Weg dorthin verläuft trotzdem relativ ereignislos: Unterhaltungen mit Touristen, Betrunkenen und Prostituierten sowie zwei Rangeleien inklusive Verbrüderung mit den Unterlegenen.
Nach einigen Wodka Schießmichtot im
Club 101
treffe ich Jo, einen lederberockten Rotschopf mit Sommersprossen.
„Jo, allet juti!“
Jo kommt aus Berlin.
Wir hatten mal was miteinander, aber das ist lange her. Wir kannten uns damals erst wenige Minuten. Heute sind wir Freunde.
Sie erzählt mir von einer obskuren Privatparty namens
Disco 9/11
, die ich vom Hörensagen kenne. Veranstalter ist ein flüchtiger Bekannter aus dem Nachtleben, den alle Feierbiest nennen.
Im Taxi erzählt Jo Genaueres. Die Begriffe Schwabe, Zuhälter, Villa und Geheimzimmer fallen.
„Wenn Gott Gott spielt, bist du auf der Privatparty vom Feierbiest“, wurde mir mal von einem Besoffenen ins Ohr gespuckt. Diese Feten seien seltener als ein türkisches Einzelkind und verrückter als
YouTube
-Clips von Charlie Sheen, meinte er.
Auch mir ist schon die eine oder andere legendäre Feierbiest-Geschichte zu Ohren gekommen. Mehrfach erzählt wurde mir von einem Schniedelvergleich mit einem Haufen Maximalpigmentierter in der Herrentoilette eines heruntergekommenen Clubs in Stuttgart. Der Wettbewerb endete mit Feierbiests Präsentation, eingeleitet von einer selbstbewussten Ansprache an den bisherigen Spitzenreiter des Contests:
„Jetzt pass mal auf, Black Beauty …“
Wir steigen irgendwo in Bockenheim aus. Die Zuhälter-Villa ähnelt einem Schloss. Jo scheint die orkähnlichen Türsteher erstaunlich gut zu kennen, wir werden angesprochen und ausgesprochen herzlich begrüßt. Ich frage nicht genauer nach, hole mir an der Outdoor-Bar etwas zu trinken und streune kurz darauf alleine herum.
Die Party findet in einem Dutzend schwach beleuchteter Räume der Villa statt. In jedem Zimmer eine andere Attraktion. Überall feiern und arbeiten Feierbiests Profiverführerinnen, die Übergänge zwischen Arbeit und Vergnügen erscheinen mir allerdings fließend.
Mike läuft mir über den Weg, ein alter Bekannter. Ich grüße ihn freundlich, er schaut mich verständnislos an. Ich lächle, er dreht sich weg.
Seltsam, aber in meinem Zustand nichts, worüber man sich stundenlang den Kopf zerbricht.
Mareike tippt mich von hinten an und bringt mich schnell auf andere Gedanken. Ich suhle mich in ihrer Bewunderung und aale mich in ihrer Zuneigung. So wie jedes Mal, wenn wir uns sehen. Sie ist nicht hässlich und vor Jahren wurde mal geknutscht, aber heute hat das seinen Reiz verloren, finde ich. Mit dieser Meinung scheine ich allerdings ziemlich alleine dazustehen …
Die Musik wird
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