Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
ihr Gesicht. Sie reißt die Augen auf und ejakuliert ebenfalls — ganz spontan, aus Mund und Nase: Der klassische Vomitus, wie der Lateiner sagt. Man könnte auch sagen, sie kotzt sich, mich und die Besenkammer ganz ordentlich voll.
Zwei Ejakulationen, leider keine von mir. Ich wusste, es würde heute nicht mehr richtig klappen.
Ich versuche, mich so schnell als möglich dieser doch recht unangenehmen Situation zu entziehen. Wische mir mit der Hand Erbrochenes aus der Visage und ziehe mir die Jeans hoch. Bekomme die Tür erst beim dritten Versuch auf und flüchte Hals über Kopf, angekotzt und offenhosig aus der Kammer des Schreckens.
♫
„Gin and tonic demonic
Body smell like vomit“
(D12 — Purple Pills)
Gebe mir Mühe, unauffällig im Partygetümmel zu verschwinden und sehe zufällig Musti lässig ins Raucherzimmer schniedeln. Er spült gerade ein braunes körniges Teil mit
Wodka Red Bull
herunter, ich folge ihm.
„Was machst du denn hier? Und wie siehst du eigentlich aus, Cabrón?“
Musti nennt nicht nur mich Cabrón. Er ist irgendwie auf
Blood In, Blood Out
mit Billy Bob Thornton und Danny Trejo hängen geblieben.
Ich bin völlig durch den Wind. Anstatt zu antworten, nehme ich mir eine von seinen kleinen braunen Pillen. Auch wenn Heroin-Zuckerguss eigentlich nicht mein Fall ist. Den Rausch von oral eingenommenem H finde ich selten angenehm.
Nutze die Gelegenheit, als ein mir flüchtig bekannter Homosexueller vorbeiläuft: Zackig haue ich mir zwei, drei Mal
Poppers
in den Kopf. Nur so ist dieser Zustand zu ertragen …
Danach ist mir endgültig alles pille-palle und ich setze Minuten später noch eine amtliche Ladung
Special K
von Musti drauf.
Special K
teilt sich zwar den Namen mit den putzigen Frühstücksflocken aus dem Supermarkt, ist aber alles andere als harmlos. K steht für Ketamin, das zum so genannten Ketamin-Loch führen kann: Äußerliche Bewusstlosigkeit, während drinnen umso mehr los ist — Halluzinationen, Reisen durch fremde Länder und Galaxien, Paralleluniversen, Tunnel und Visionen, Nahtod-Erlebnisse … Möglich ist auf
Special K
die ganze Palette solcher Geschichten. Sehr spannend, aber unter Umständen auch blanker Horror.
Vor allem in Verbindung mit Alkohol ist so ein Ketaminräuschchen nun wirklich kein Kindergeburtstag, wie mir wieder schnell klar wird.
Uiuiuiuiui!
Innerhalb von Minuten verabschieden sich Psyche und Körperempfinden voneinander und gehen für eine Weile getrennte Wege. Ich sehe dieses Bild tatsächlich vor mir, Geist und Körper geben sich ein letztes Mal die Hand. Danach verliere ich meinen Körper aus den Augen, der schlaffe Sack gehorcht mir nicht mehr. Weit weg ist er, eine leblose Hülle, wie die alte Haut einer frisch gehäuteten Schlange. Die Party ist ebenfalls längst kilometerweit weg, obwohl mein Körper dort inmitten von feiernden Menschen auf einem Sessel hängt.
♫
„No hesitation, no delay
You come on just like Special K“
(Placebo — Special K)
Sekunden, Minuten oder Stunden später klettere ich mühsam aus meinem Ketaminloch und treffe Jo wieder. Sie hat Gerüchte gehört, ich hätte Scheiße gebaut mit irgendeinem Mädchen.
„Was für Scheiße denn? Und was für ein Mädchen?“
Nichts Genaues weiß man nicht, trotzdem fragt sie mich, ob da etwas dran sei. Sie ist so aufgeregt, dass ihr nicht mal auffällt, dass ich aussehe wie ein Zombie und rieche wie ein Puma.
Ich beharre darauf, von nichts zu wissen. Kann mich dabei kaum auf den Beinen halten. Merke schnell, dass meine Beteuerungen dadurch nicht unbedingt glaubwürdiger werden.
Es ist nun wirklich Zeit zu gehen. Ich lasse Jo stehen und mich auf den Rücksitz eines zufällig bereitstehenden Taxis fallen.
Um 9 Uhr morgens werde ich vor meinem Domizil in Sachsenhausen vom Taxifahrer rausgeschmissen. Zwei Männer in schwarzen Anzügen warten vor meiner Tür. Ich verstecke mich hinter einem Baum, bis sie verschwinden. Dann schlüpfe ich in den Hauseingang, der mit dem
Wachtturm
zugepflastert ist. Zeugen Jehovas — schade, die hätte ich rein gelassen.
5. Überfall
Früh am Abend wache ich scheibchenweise und mit Nackenschmerzen auf. Wenigstens mein Hals wird noch steif. Ich bereite mich mental auf einen geruhsamen Sonntag vor dem Computer vor. Es fühlt sich an, als wäre ich von einem Zug überrollt worden. Der Auswurf ist rostrot. Einige Teile des letzten Abends fehlen mir komplett
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