Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
ein Dutzend.
Ein Haufen Presse ist da, die Hasen werfen sich ins Zeug und posieren stundenlang. Ich trinke einen klitzekleinen Gin Tonic — nur um meinen Pegel zu halten, denn betrunkener sollte ich nicht werden — und sehe mir die Show an. Während ich das Geschwätz um mich herum hartnäckig ignoriere, finde ich schnell Zugang zu meiner Favoritin. Ich bin heute besonders einfallsreich und nenne sie Bunny. Bunny ist nett, brünett und hat zwei Osterkörbchen Größe DD dabei. Nach kurzer Zeit post sie vor den Fotografen nur noch für mich — und ich bin nicht der einzige, dem das auffällt …
„Ei, gugg dir die mol an“, raunt mir einer der
RTL
-Clowns in breitestem Hessisch zu.
Ich grinse und blickficke sie weiter. Nach dem Posing-Marathon kommt sie zu mir rüber. Sie hat kaum Zeit, muss gleich wieder arbeiten, lässt aber Handynummer, ein Küsschen und eine Verabredung für später da.
RTL
und dem Rest des Clubs fallen kollektiv die Kinnladen herunter.
Die Fernsehfritzen und ich lassen uns auf einem VIP-Sofa nieder. Leider kommt einer der beiden Vögel auf die Idee, eine große Flasche
Wodka Absolut
zu bestellen. Zur Feier des Tages, natürlich auf Senderkosten.
Ja, absolut super, klar, so jung kommen wir nicht mehr zusammen …
Dann wird meine Welt blau.
♫
„…where are my keys? I lost my phone…“
(Lady Gaga — Just Dance)
Lady Gaga versucht mich zu wecken — mit ohrenbetäubender Lautstärke. Ich mache ein Auge auf. Dann ein zweites. Ich korrigiere mich: Jemand, der viel hübscher ist als Lady Gaga, zerrt an mir. Ich erinnere mich, das ist Bunny.
Leider tut mir ihr Gerüttel nicht besonders gut. Würde mich gerne dagegen wehren, kann aber nicht. Meine Arme werden von allem Möglichen kontrolliert, aber nicht von mir. Ähnlich verhält es sich mit meinem Magen. Ich spüre Seekrankheit in mir aufsteigen, muss von diesem Geschüttel kommen. Bunny bleibt hartnäckig. Erst als sich ein kleines Strählchen Erbrochenes in ihren Ausschnitt ergießt, lässt sie los.
Danach nehme ich das erstbeste Taxi nach Hause. Frankfurter Taxifahrer fahren grundsätzlich falsch und geben grundsätzlich falsch raus. Beides ist mir völlig egal, als ich vor meiner Haustür aufwache.
***
Knapp 20 Stunden später öffnet mir Musti gewohnt apathisch die dreifach gesicherte Tür seiner Drogenhölle im Ostend.
Mustis Blick ist leerer als ein Single-Kühlschrank, kälter als ein Frauenfuß in einer Winternacht und furchteinflößender als ein Brief vom Finanzamt. Seine Pupillen sind tellergroß.
Lieferantenprobleme, aha. Er könne mir nichts verkaufen, meint er, aber was mit ihm ziehen könne ich gerne. Alte Kollegen und so.
Gesagt, geschnupft.
Musti zieht ein Briefchen hervor und kippt den Inhalt auf seinen Glastisch. Beachtlich, der Haufen. Mit der EC-Karte einer mir unbekannten männlichen Person verteilt er den Inhalt großzügig auf zwei Lines, jede länger als ein Unterarm. Er rollt einen Fuffi, steckt ihn sich ins rechte Nasenloch, grinst, taucht ab und saugt die erste Ladung bis auf den letzten Krümel weg. Er hebt den Kopf und für Sekundenbruchteile werden seine Augen strahlend weiß.
Habe als Kind nie verstehen können, warum Leute Drogen nehmen. Heute bemitleide ich Leute, die keine nehmen.
Nach meiner Line merke ich, dass plötzlich zwei Jungs mehr mit uns am Tisch sitzen. Will vermeiden, komisch rüberzukommen und frage deshalb nicht nach. Sie sehen vernünftig aus. Wir vertreiben uns zu viert die Zeit mit einer Runde Rauschgift-Quartett.
Auf Mustis Desktop prangt ein Paparazzi-Nacktfoto von Silvio Berlusconi, wie mir nach der zweiten Nase Koks auffällt. Wenn man drauf ist, entdeckt man wirklich ständig Neues.
Die Unterhaltung deckt ein breites Spektrum ab: Vom Penis des italienischen Ministerpräsidenten und seinen
Bunga-Bunga-Partys
kommen wir zügig zu verschiedenen Einfuhrkanälen des menschlichen Körpers für bewusstseinserweiternde Substanzen.
„Kennt ehr de Prinz Harry? Der schnupft sein Wodka! Joh, in die Nas, wie Koks“, weiß einer der beiden Neuankömmlinge zu berichten und nimmt sich eine dicke Line zur Brust.
Kokain ist wirklich eine komische Sache. Man bezahlt unheimlich viel, zieht es sich in die Nase, fühlt sich gut und die Glut der eigenen Zigarette wird zum Feuerball. Die Wahrnehmung ändert sich leicht, aber man glaubt nie so richtig, auf Drogen zu sein. Selbst wenn man anfängt, aus
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