Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
Trip probierten wir es zusammen. Die Beziehung hielt nur wenige Wochen, die Leidenschaft war schnell verflogen …
Meine anlassgebundene Impotenz führe ich heute auf mehrere Gründe zurück. Ich habe meine Ex-Freundin wirklich geliebt — erst nach ihr wurde das Phänomen zu einer echten Belastung. Außerdem versuche ich immer krampfhaft treu zu bleiben. Gelingt mir meist sogar einigermaßen, den Preis bezahle ich dafür allerdings danach: Mein Penis scheint dann weiter den Moralapostel herauskehren zu müssen. Diese verdammte Monogamie hat wirklich ihre Tücken.
Auf die Phase der Impotenz folgte völliges Desinteresse am weiblichen Geschlecht. Umgekehrt war durchaus Interesse vorhanden: Ich konnte jede Menge Nummern holen, aber keine schieben. Irgendwann versuchte ich nicht mal mehr, jemandem körperlich näher zu kommen. Im Gegenteil: Eine Frau, die sexuelles Interesse signalisierte, ließ mich eher flüchten. Nur ausgesprochen zurückhaltende Frauen waren für mich zu ertragen. Intimität, nein danke. Zweisamkeit war absurd geworden. Um mich herum drehte sich alles um Sex, es widerte mich an. Ich beendete Affären, bevor sie angefangen hatten. Meine Libido erinnerte an die eines 65-Jährigen, außer wenn meiner Ex einfiel, mich mit nach Hause zu nehmen — was selten vorkam.
Ich suchte mir Ersatzbefriedigungen. Neben den üblichen und weniger üblichen bewusstseinserweiternden Substanzen entdeckte ich Videospiele mit Sportanteil für mich. Ich wollte Ablenkung und Herausforderung und bei meinem unerhörten Gezeche fit bleiben. Gekauft wurde deshalb ein Produkt aus dem Hause
Nintendo
, schließlich ist mir schon als Kind der
Game Boy
beinahe an den Händen festgewachsen. Ich bleibe gerne Firmen treu, sofern sie mich nicht enttäuschen. Nun hieß es
Wii
statt Weiber. Fanatisch wurde ein
Wii Fit
Weltrekord nach dem anderen geknackt. Alles drehte sich darum, die weltweite Liga in diesem Spiel von hinten aufzurollen. Wie ein Raubtier holte ich mir Kategorie für Kategorie, um am Ende der Beste zu sein. Ich zockte 10 bis 14 Stunden am Tag und ignorierte Muskelfaserrisse, Blutblasen und Schnittwunden. Das
Wii Balance Board
war schnell nicht mehr weiß, sondern orangerot. Ich übte stundenlang dieselbe Bewegung, nur um den perfekten Schwung zwischen Tor 14 und Tor 15 beim Skifahren zu schaffen. Tausende Versuche später gehörte auch diese Bestmarke mir. Mit anderen Cracks aus aller Welt tauschte ich Tipps und Tricks, bis ich keine mehr nötig hatte. Ein halbes Jahr später war es soweit: Es gab eine neue Nummer 1 — der beste
Wii Fit
Spieler der Welt kam plötzlich aus Deutschland.
Nachdem ich in meiner Karriere als
Wii
-Spieler nun alles erreicht hatte, hörte ich von einem auf den anderen Tag mit dem Spielen auf. Mein Interesse an Frauen war wieder erwacht und meine Ex zumindest ansatzweise verdrängt. Ich kämpfte mich wieder zurück in ein halbwegs normales Leben. An normalem Gefühls- oder gar Sexleben arbeite ich allerdings noch heute. Hauptsächlich mit Weißwein und
Viagra
, gerne auch in Kombination.
♫
„Time heals nothing
It doesn’t heal a fucking thing“
(Sheer Terror — Time Don’t Heal A Thing)
Mittlerweile ziehe ich die Vergötterung einer Person vor, mit der ich weder eng noch fest zusammen bin und die ich nie wirklich richtig kennen lerne. Nicht mal körperlich. Die ich aus sicherer Entfernung bewundern und heiligsprechen kann. So ein Mädchen kann ich nach Herzenslust überhöhen und mit jeder erdenklichen Kindheitsprojektion aufladen. Zum Teufel mit Freud. Ich will ständig das Gefühl genießen, das man in einer frisch entstehenden Beziehung hat. Schmetterlinge und der ganze Mist — auf Dauer konserviert! Totale Verliebtheit, die darauf beruht, dass man sich kaum kennt und der andere ein makelloser Edelstein ohne einen einzigen Kratzer ist. So wie Sina. Sie ist der Strohhalm, an dem ich mich auch heute noch aus dem Loch ziehe, in das meine Ex mich geworfen hat. So ganz ohne Beziehung finde ich doof — wie Charlize Theron das doof findet, die nach eigenen Angaben mit 36 das erste Mal in ihrem Leben Single war.
Genug geschwärmt, erst mal noch einen kiffen. Obwohl ich fantastisches Gourmet-Gras rauche, schüttle ich mich jedes Mal wie ein nasser Hund, wenn ich die Lunte anzünde: Ich hasse den Geschmack. Nur die Wirkung, die mag ich. Ich hoffe, meine Putzfrau riecht das Zeug nicht.
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