Filmriss
schließlich weder blind noch blöd.
Ich wollte, dass es mir absolut egal war, aber das war es nicht. Ich wollte einfach wieder rausrennen. Nichts sagen, nichts machen, bloß weg! Aber schließlich hab ich mich zusammengerissen und bin geblieben.
Ganz langsam konnte ich sogar wieder atmen. Ich schnappte mir eine der Flaschen, die auf dem Tisch standen, ich glaube, es war Wodka. Damit bin ich rüber, am Kicker vorbei zum kleinen Fenster, von dem aus man aufs Meer sehen kann. Dann nahm ich einen Schluck und gleich noch einen größeren. Einen ziemlich großen sogar.
In Berlin hab ich gelernt, den Kehlkopf auf Durchzug zu schalten, um alles einfach in mich reingluckern zu lassen, ohne zu schlucken. Damals war’s nur Bier.
Mit Wodka ist es im Prinzip das Gleiche. Was für ein Gesöff es ist, spürt man erst, wenn es im Bauch ankommt. Alle Empfindungen auf dem Weg runter sind praktisch ausgeschaltet. Unten kracht es dafür umso mehr und in der nächsten Sekunde auch schon in der Birne. Wie ein riesiges Feuerwerk. Man schafft es nicht mehr, an irgendwas anderes zu denken, selbst wenn man will. Und weil ich nicht wollte, war’s umso besser.
Ich setzte die Flasche noch mal an, ohne mich umzudrehen. Ich hatte einfach keine Lust, die beiden anzuglotzen wie einen Film im Kino. Die haben bestimmt gedacht, ich hätte sentimentale Anwandlungen oder so was, wie ich da so stur aufs Meer rausgaffte.
Verdammter Mist! Ich hab immer gedacht, Marlon gehört mir! Er ist wie für mich gemacht. Ich will mit ihm schlafen, die ganze Zeit will ich das schon, seit ich ihn kenne. Aber bisher hatte ich es nicht eilig. Ich hab immer gedacht, wir hätten Zeit. Scheiße! Ich wollte warten, bis es »so weit« war. Und jetzt hat Birte mir einfach dazwischengefunkt. Natürlich haben wir offiziell Schluss gemacht, aber so was sagt sich viel leichter, als dass man es auch fühlt.
Vorm Umdrehen nahm ich noch mal einen fetten Schluck. Dann bin ich rüber zu den beiden.
»Und?«, fragte ich Birte, die Pulle in der Hand. »Wie sieht’s aus? Eine Runde Kickern gefällig?«
Ich blieb vor ihr stehen, starrte sie an, ohne meine Wut richtig zu zeigen. Statt einer Antwort sah sie Marlon an, so als müsste sie ihn um Erlaubnis fragen. In diesem Moment ist mir klar geworden, dass ich nicht nur von ihm enttäuscht war, sondern auch von ihr.
»Ich hab nicht ihn gefragt, sondern dich.«
Ich durchbohrte sie weiter mit Blicken. Marlons Lächeln feuerte mich an. Und er hat echt mich angelächelt. Mich!
Er versuchte auch nicht, sie zu beschützen. Damit hatte ich eigentlich gerechnet. Wahrscheinlich nervt sie ihn schon, und er wünscht sich insgeheim, dass ich ihr zeige, wo ihr Platz ist. Jedenfalls hoffe ich das.
»Nur wir beide«, betonte ich, als sie endlich hochkam.
Ich stellte die Flasche auf den Kicker neben die Toranzeige und ging auf die Seite mit der roten Mannschaft. Da bin ich immer besser. Hab die Stürmer immer wieder rumgewirbelt und drauf gewartet, dass es endlich losging.
Birte versuchte locker auszusehen, aber sie war ganz blass und ihre rechte Hand zitterte. Ich nahm noch einen Schluck.
»Nun mach schon! Lass uns loslegen!«
Ich war plötzlich so sauer, dass ich ihr am liebsten quer über den Kicker an die Gurgel gesprungen wäre .
8
»Wieso nimmst du die Roten?«
»Weil ich grade hier stehe. Jetzt zick nicht so rum! Lass uns anfangen!«
Dass es mit den Roten einfacher geht, wissen wir beide. Frieda trinkt weiter, nüchtern kann sie nicht mehr sein.
»Bei fünf wechseln wir«, beharre ich.
»Okay. Kinderkacke, aber du hast keine Chance. Egal, ob Rot oder Blau.«
Ich trinke einen Schluck, aber nur einen ganz kleinen. Ich bin davon überzeugt, dass ich dabei vollkommen lässig wirke.
»Von mir aus«, zischt Frieda, »kannst du auch die ganze Zeit mit den Roten spielen. Ist mir schnurzpiepegal.«
Da ist sie auch schon bei mir und schiebt mich zur Seite.
»Hauptsache, es geht los.« Sie hat wirklich schon einen im Tee. Das hört man nicht nur, man sieht es auch.
»Ich mach dich alle«, sagt sie und trinkt weiter.
»Wen? Die Flasche oder mich?« Ich grinse.
Noch eh sie zurückschießen kann, taucht Benny auf.
»Hallo«, sagt er in die Runde.
»Hi, Süßer!«, ruft Fried a – Tatsache, das sind ihre Worte ! – und hält ihm die Flasche hin. Er ist ganz verwirrt, greift aber ohne Zögern zu.
»Du kommst grad richtig!« Frieda beugt sich angriffslustig über den Kicker. »Jedenfalls wenn du sehen willst, wie Birte
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