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Filmriss

Filmriss

Titel: Filmriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Buettner
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erfroren. Diese Dreckschweine haben mich da einfach liegen lassen. Frau Lange sagt, das ist versuchter Mord. Karsten sagt, er war so besoffen, dass er das alles nicht mehr mitgekriegt hat. Keine Ahnung, ob das stimmt oder nicht.
    »Zwei Minuten später«, meinte der Arzt im Krankenhaus, »und wir hätten keine Chance mehr gehabt. Du kannst dich bei deinem Cousin bedanken.«
    Steve hatte im Krankenwagen plötzlich nach mir gefragt. Sie verarzteten gerade seine Stichwunde am Bein. Er wachte auf und hat sofort an mich gedacht. Zum Glück war wenigstens der Messerstich nicht ganz so gefährlich, wie alle zuerst gedacht hatten, aber er hat wahnsinnig viel Blut verloren. Dieser Feigling Markus hat ihm das Messer ins Bein gejagt, als er mir helfen wollte.
    Zwar hatte Marlon ihm vorher schon ein Messer abgenommen, aber er muss noch ein zweites gehabt haben. Nach dem Rauswurf haben die beiden Typen draußen gewartet und sind schließlich zurückgekommen. Die wollten sich rächen. Was Karsten dabei zu suchen hatte, steht nicht so richtig fest. Seine Rolle ist absolut unklar. Manche meinen, er sei mit Markus befreundet. Er selbst sagt, das wäre Quatsch. Die behaupten einfach alle was anderes. Und keiner weiß, wer wann lügt und wann nicht. Vor Gericht wird das alles ziemlich schwierig werden. Das meint zumindest Frau Lange.
    Damals wusste zuerst keiner, wo ich sein könnte. Dann hat Steve erzählt, was er gesehen hatte. Die Polizei ist sofort noch mal an den Strand und hat mit Hochdruck nach mir gesucht. Praktisch in letzter Sekunde haben sie mich zwischen den Dünen gefunden, mit ziemlich wenig an.
    Steve wird auf ewig mein Lieblingscousin bleiben, das steht fest. Wenn dem einer was will, muss er erst mal mich aus dem Weg räumen. Andererseits scheint das ja nicht so schwer zu sein, wie ich immer dachte. Vielleicht sucht er sich besser einen anderen Schutzengel, einen, der mehr draufhat als ich und stärker ist.
    Gleich nachdem ich gesundheitlich einigermaßen über den Berg war, haben die mich hierhergebracht, in die Psychiatrie. Hier ist es so weit okay.
    Benny versucht andauernd, mich anzurufen. Zweimal hat er mir auch eine SMS geschickt. Aber obwohl er mir nichts getan hat, schaff ich es irgendwie nicht, ihm zu antworten. Noch nicht, vielleicht später mal. Bisher möchte ich alles weit weg von mir halten, was irgendwie mit dieser Nacht zu tun hat. Vor allem die Menschen, auch wenn sie an der Sauerei nicht beteiligt waren. Ich schäme mich und bin gleichzeitig so voller Wut wie noch nie, beide Gefühle wechseln sich ständig ab. Die Leute im Krankenhaus sagen, die Wut sei gut, die Scham nicht.
    Marlon sehe ich, wenn ich an ihn denke, wie von ganz weit weg. So als wenn man verkehrt rum durch ein Fernglas guckt. Er ist da noch irgendwo, die Konturen gestochen scharf, aber eben weit weg.
    Meine Erinnerungen sind wie ätzende Säure, die jemand mich zwingt, nach und nach zu trinken. Mir ist klar, dass ich, solange sich daran nichts ändert, auch nicht zurück kann nach Hause. Da könnte ich es nicht aushalten. Aber mein Arzt meint, dass ich vielleicht in ein paar Wochen wieder so weit bin. Ich kann nicht mal sagen, ob ich will, dass er Recht hat.
    Morgen kommen meine Eltern mich besuchen. Zusammen, obwohl inzwischen feststeht, dass sie sich endgültig trennen werden. Meine Mum hat einen anderen Mann, mit dem sie Dad schon eine ganze Weile betrogen hat.
    Dad fehlt mir. Wenn ich hier raus bin, darf ich zurück zu ihm. Er besteht sogar darauf, ich muss nun doch nicht in dieses blöde Internat. Das ist das Einzige, was ich weiß. Ansonsten hab ich überhaupt keinen Plan, wie alles weiterlaufen soll.

Epilog
    Ich mach grad was, was ich noch nie in meinem Leben gemacht hab: Ich geh allein spazieren. Runter zum Strand, dahin, wo alles passiert ist. Es bleibt dabei: Ab morgen werde ich wieder zur Schule gehen. Heute ist Sonntag und alles ist total ruhig.
    Der Himmel ist grau, aber für Anfang Dezember ist es noch ziemlich warm. Der Wind, der vom Meer kommt, ist fast sanft. Ich hab die Hände in die Taschen meiner Jacke gestopft, in der linken Tasche ist der Stein. Ich geh ganz langsam. Gerade hat mein Vater mir erzählt, dass er die neue Stelle nun doch bekommen wird. Irgendjemand Wichtiges bei der Gemeindeverwaltung hat sich für ihn starkgemacht.
    Da vorn ist »unsere« Hütte. Zuerst zögere ich, aber dann schlender ich hin. Alles hier sieht so friedlich aus, so unberührt wie das Meer an einem ruhigen Sommermorgen. Durch die

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