Filmriss
rein zufällig also eine gute Tarnung.
Ich finde es immer wieder irre, wie sehr man sich mit Make-up und Klamotten verändern und neu erfinden kann. Wenn ich gut drauf bin, kann ich locker Stunde um Stunde vorm Spiegel verbringen und neue Gesichter ausprobieren.
Das Oberlippen-Piercing hatte ich mir am Morgen machen lassen und es tat noch saumäßig weh. Es machte das Trinken nicht ganz einfach, aber ich habe mir nichts anmerken lassen.
4
»Kommst du mal kurz mit raus?« Benny sagt das so, dass die anderen es nicht mitkriegen.
»Was gibt’s denn?«, frage ich draußen.
»Lass uns ein paar Schritte gehen«, schlägt er vor und steckt sich eine Zigarette an.
Langsam schlendern wir nebeneinanderher, eine ganze Weile sagt er nichts.
»Nun mach’s nicht so spannend.«
»Marlon und du«, beginnt er zögernd, »seid ihr beide jetzt eigentlich so richtig zusammen?«
»Ja klar. Merkt man das nicht?«
»Doch, scho n …«
»Aber? Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
»Aber Frieda merkt das natürlich auch.«
»Marlon hat mit ihr Schluss gemacht«, sage ich locker. »Obwohl er eigentlich nie so richtig mit ihr zusammen war. Aber er hat’s getan, damit wir klare Verhältnisse haben.«
Benny erwidert nichts, guckt mich nur an.
»Hat er nicht?« Unsicher bleib ich stehen.
»Nicht dass ich wüsste.«
»Er hat es mir aber versprochen.« Ich bin nicht so zuversichtlich, wie meine Worte klingen.
»Dann macht er es ganz sicher noch. Nu r … bishe r …«
Ohne ein weiteres Wort gehe ich zurück zur Hütte.
»Birte! Warte doch mal!«
Ich knall die Tür hinter mir zu.
»Hey!«, ruft Marlon. »Was ist denn mit dir los?«
Ich bau mich vor ihm auf, die Hände in der Jackentasche. Er sitzt auf einem der alten Sessel und sieht erschrocken aus.
»Du hast mir was versprochen«, sage ich.
Er überlegt nur kurz, dann entspannt sich sein Gesicht.
»Ja«, sagt er ruhig. »Ich hab’s getan. Frieda und ich, wir haben gerade Schluss gemacht.«
5
Bin heute Nachmittag auf der Star Search , den Kahn winterfest machen. Kommst du mich besuchen?
Marlons SMS hat mich auf dem Heimweg erreicht, und mein Herz macht einen Sprung. Die Star Search ist das Boot seines Vaters, der eine Arztpraxis bei uns im Dorf hat. Marlon ist ein richtig guter Segler. Im Sommer fährt er manchmal mit uns raus und wir schippern ein bisschen vor der Küste rum. Er ist dann der Kapitän und wir anderen sind die Crew. Das macht irre Spaß. An Bord ist es total wichtig, dass einer das Sagen hat, sonst läuft überhaupt nichts. Bei Marlon hat keiner damit ein Problem.
Jetzt, zum Herbst, werden die Boote aus dem Hafen geholt und vorher winterfest gemacht. Dass ich mich total gerne mit ihm dort treffe, steht sofort fest. Ich erinnere mich daran, dass Frieda im Sommer öfter mit ihm allein dort war.
Als ich die Leiter zum Bootssteg runterklettere, ist es schon fast dunkel. Obwohl ich den ganzen Nachmittag an nichts anderes denken konnte, bin ich doch erst spät losgekommen. Immer wenn ich gerade aufbrechen wollte, war wieder irgendwas, mein Vater brauchte »noch mal eben ganz kurz« Hilfe im Garten, den er gerade für den Winter vorbereitete, zweimal klingelte das Telefon. Hoffentlich ist Marlon jetzt überhaupt noch hier, ich hab mich so darauf gefreut. In meinem Magen fängt es an zu kribbeln, meine Hände sind kalt. Ich stecke sie in die Taschen meiner Windjacke. Von Weitem sehe ich, dass auf der Star Search Licht brennt, aber das kann genauso gut Marlons Vater sein. Oder vielleicht beide zusammen, was ich mir auch nicht unbedingt wünsche. Einen Moment lang glaube ich, ein paar melancholische Gitarrenakkorde zu hören.
»Hallo, Birte.« Marlons Stimme dringt zu mir, noch bevor ich ihn sehe. »Ich bin grad so weit fertig. Schön, dass du doch noch kommst.«
Er hat die orangefarbene Skipper-Jacke an, die ihm so gut steht. Er lächelt, hilft mir an Bord. Der schwankende Boden unter den Füßen fühlt sich wie immer am Anfang komisch an.
»Willst du einen Tee?«
»Gerne.«
Ich setze mich auf die kleine Bank an Deck. Marlon kommt mit zwei dampfenden Bechern zurück.
»Sind Zucker und Milch drin, okay?«
»Ja, klar.«
Er setzt sich so dicht neben mich, dass ich ihn durch den Stoff unserer beiden Jacken hindurch spüre. Wir schlürfen den heißen Tee. Die Becher wärmen unsere Hände. Man hört das Plätschern des Wassers, das Boot schaukelt sanft, das Holz knarrt, oben schlägt irgendwas gegen den Mast.
»Spiel doch ein
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