Filmriss
bisschen Gitarre«, sag ich.
»Jetzt nicht«, sagt Marlon. »Aber guck dir mal die Sterne da oben an. Die sind viel schöner als mein elendes Geklimper.«
Beides zusammen, denke ich, wäre der Hammer.
Es ist inzwischen ganz dunkel geworden. Der Himmel ist klar. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal so viele Sterne auf einmal gesehen habe. Sie vereinigen sich zu einem schimmernden Netz, das sich über den Himmel spannt.
»Echt Wahnsinn!«
»Komm mal.« Marlon nimmt mir den Becher ab und stellt ihn neben seinen auf den Tisch. Er führt mich aufs Achterdeck, in einer kleinen Vertiefung liegen mehrere Decken und eine kleine Matratze.
»Hier draußen schlaf ich im Sommer manchmal«, erzählt er. »Lass uns von hier aus die Sterne beobachten.«
Wir legen uns dicht nebeneinander auf den Rücken und decken uns gut zu. Die Arme unterm Kopf verschränkt sehen wir hinauf.
»Findest du nicht auch«, sage ich, »dass es immer mehr werden, je länger man hochguckt?«
»Ja. Es sind Millionen. Und es werden Milliarden.«
»Billionen«, sag ich und wir lachen.
»Fahren wir im Sommer wieder raus?«
»Klar. Warum nicht?«
»Auch mal wir beide alleine?«
Sein Blick bleibt nach oben gerichtet.
»Ja«, sagt er verträumt, »das wünsche ich mir.«
Er dreht mir sein Gesicht zu. Seine Haut riecht nach Meer und ein bisschen nach diesen hellen Nussschalen, deren Farbe sie hat.
»Das wünsch ich mir auch«, flüstere ich in sein Ohr. »Wie wäre es gleich nächstes Wochenende?«
Er legt den Arm um mich. »Das geht leider nicht«, sagt er. »Da wird das Boot aus dem Wasser geholt. Im Winter steht es in einer Scheune. Nächstes Frühjahr kommt es wieder raus.«
»Schade.«
Wieder schauen wir nach oben. Fast kommt es mir vor, als gäbe es schon wieder ein paar Tausend Sterne mehr.
»Versprochen?«, frag ich.
»Versprochen.«
»Dann bist du der Kapitän«, sage ich.
»Und du?«, fragt er mich. »Was bist du?«
Ich muss nicht lange überlegen.
»Ich bin der Sternenhimmel«, sage ich. »Und der Kompass.«
Ich denke an den Tag, an dem wir zusammengekommen sind, an unseren ersten Kuss, an unsere Worte. Marlon lächelt.
Wie ein kurzer, goldener Strich taucht eine Sternschnuppe am Himmel auf und verglüht.
»Gesehen?«
»Gesehen.«
»Was gewünscht?«
»Na klar.«
Vorsichtig streichelt er mein Gesicht.
»Ich mir auch.«
Wir küssen uns. Marlons Lippen sind weich und zugleich fest. Es ist ein Gefühl, als ob ich in den Wellen versinke, nur viel schöner.
Friedas Tagebuch
Ich bin wohl nicht besonders romantisch. Ich glaub nicht an die Ewigkeit oder so was, aber ich hab doch immer gedacht, das mit Marlon und mir ist was Besonderes. Ich hab noch nie vorher gedacht, dass ich zu jemandem gehöre. Bei ihm schon.
Marlon und ich, wir sind wi e … ein Gangsterpaar, das durchs Land tourt und Banken überfällt. Ohne dabei jemandem was zu tun, einfach nur, um den Kick zu suchen.
Ich hab nie gedacht, dass wir zusammen alt werden. Irgendjemand erschießt uns vorher, oder wir sterben bei einem Flugzeugabsturz, oder wir gehen einfach getrennter Wege.
6
Ich hab keine Ahnung, wer das Zeug mitgebracht hat. Plötzlich steht die Flasche auf dem Tisch. Ein paar Leute aus den umliegenden Dörfern sind inzwischen auch da, manche kenne ich nur vom Sehen.
Die Stimmung ist gut. Benny hat seinen Laptop für die Mucke mitgebracht. Er hat uns schon immer mit Musik aus der Konserve versorgt, er ist total der Technik-Freak. Als wir anderen noch im Sandkasten gespielt haben, hat er zu Hause schon Verstärker zusammengebastelt. Culcha Candela singt grad den Monster-Song, überall wird ein bisschen getanzt, einige stehen in kleinen Gruppen herum, es wird geredet und gelacht.
Ein Typ, von dem ich den Namen nicht weiß, erzählt blöde Blondinenwitze, ich lache trotzdem mit. Marlon tritt von hinten zu mir, legt den Arm um meine Schulter, hält mir eine geöffnete Flasche hin. Das Gesöff riecht nach süßer Lakritze, scharf und gleichzeitig supereklig nach Sprit. Mir wird fast schlecht. Am liebsten würde ich mich schütteln. Aber natürlich will ich das vor den anderen nicht, vor allem nicht vor Marlon.
Und nicht vor Frieda. Obwohl sie ganz lässig tut, merke ich genau, dass sie mich keine Sekunde aus den Augen lässt. Sie kriegt das hin, ohne mich dabei auch nur ein einziges Mal wirklich anzugucken.
Marlon sieht meinen Ekel, lächelt und zieht die Flasche zurück.
»Sorry«, sagt er.
Den Arm lässt er um meine Schulter,
Weitere Kostenlose Bücher