Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
auf die Pfoten und wusste ein paar Sekunden lang nicht, wo er war. Klar war nur, dass er sein Ziel gründlich verfehlt hatte. Denn als er sich umdrehte, hockte da ein schwarzes Etwas und schaute ihn aus runden Knopfaugen an. Das Amseljunge hatte den Kopf eingezogen und die Flügel ein wenig ausgebreitet, als ob es sagen wollte: »Sorry, ich kann auch nichts dafür, aber du hattest entschieden zu viel Schwung.«
Filou spitzte die Ohren und betrachtete das Kleine. Es zitterte. Es hatte sicher die Mama verloren, genau wie er. Es war allein, es hatte Hunger, es fror. Es tat ihm unendlich leid.
Vorsichtig zog er sich zurück, um das Amselchen nicht zu erschrecken, Pfote um Pfote, im Rückwärtsgang.
Und dann hatte er die zänkische Stimme Lucrezias im Ohr. »Das ist doch wieder typisch! Aus dem Nest gefallene Vögel sind zum Essen da und kein Fall für Gefühle! Und außerdem – was wirst du mir mitbringen, wenn du nach Hause kommst? Na?«
Nichts. Wieder nichts. Dabei brauchte Lucrezia seine Hilfe! Sie war alt, vielleicht schon zehn Jahre alt, eine Veteranin der Katzengemeinde von Beaulieu, wie sie betonte. Außerdem war sie halb blind und hatte es an der Hüfte. Und an der Galle, weshalb er ihr mit alten Abfällen gar nicht erst kommen durfte. Auch nicht mit Käserinden und Hühnerknochen: die Zähne! Die waren eben nicht mehr so scharf wie früher. Nichts war mehr wie früher, alles ging den Bach runter und würde böse enden. Wenn man Luc so reden hörte, bekam man Angst vor der Zukunft.
Filou hatte viel zu oft Angst – und wenn er ehrlich war, fürchtete er sich am meisten davor, wieder allein zu sein. Sicher, Luc war nicht gerade jemand, dem Nähe wichtig war. Kuscheln mit ihr? Als er es das erste Mal versuchte, hatte sie ausgeholt und ihm die Krallen über die Ohren gezogen, man sah jetzt noch die Kerbe. Spielen? Ganz zu Anfang hatte sie die Ohren gespitzt, als er nach ihr getatzt hatte, und Anstalten gemacht, mit ihm zu raufen. Doch dann hatte sie »Sei nicht kindisch« gezischt, sich umgedreht und weitergeschlafen. Nun – wenigstens war da jemand, den er schnarchen hören konnte, wenn er wieder einmal hungrig und erfolglos nach Hause kam.
Leider schnarchte sie nicht immer. Oft war sie auch wach. Und wenn er nicht wenigstens einen Fischkopf dabei hatte, den der Monsieur ihm manchmal mitleidig zusteckte, während die anderen sich um die besseren Stücke balgten, oder ein Stückchen Schinken, das einem Touristen aus seinem belegten Baguette gefallen war, dann konnte er etwas erleben.
Filou befreite sich aus der Ligusterhecke, hinter der eine ungepflegte Rasenfläche lag. Ein paar Spatzen stiegen lärmend und schimpfend auf, als er vorbeischlurfte. Und schon stand er vor der nächsten Hecke. Steinlorbeer, immergrün und duftend und ohne die Stacheln des Ligusters. Er suchte nach einem bequemen Einstieg und lugte durch die Hecke. Hinter ihr lag der nächste Garten, in dem es duftige Sträucher und schattenspendende Bäume gab. Und am Rande dieses Gartens, auf einer Terrasse vor dem Haus, erblickte er etwas, das eine himmlische Erscheinung sein musste. Oder eine Fata Morgana.
Es leuchtete, es lockte, es schien ihm zuzublinzeln. Er stieg vorsichtig durch die Hecke, ließ sich das Fell von den glänzenden grünen Blättern des Steinlorbeers streicheln und gelangte endlich auf eine samtweiche, vom Morgentau feuchte Wiese, die seinen Pfoten schmeichelte.
Mit angehaltenem Atem hockte er sich hin und konnte nicht fassen, was er sah. Auf der Terrasse vor dem mächtigen Steinhaus stand ein Tisch. Und von diesem Tisch leuchtete und strahlte es herüber, blendete, winkte, lockte ihn. Ein überirdisches Weiß, cremefarben wie schmelzende Butter. Ein Morgenröterot wie zarter Schinken, ein Butterblumengelb wie köstlicher Käse, ein warmer goldener Schimmer wie ein frisches Baguette.
Und dann fielen zu den Farben die Gerüche wie zärtlicher Südwind über ihn her. Das war kein Traum, geboren aus Hunger und Not. Es war alles wirklich, es war alles da, alles, was das Katzenherz begehrte, und es wartete nur auf ihn. Er traute sich kaum vor, fürchtete plötzlich, dass der Käse, der Schinken, die Butter, das Brot Flügel bekämen und sich ärgerlich kreischend erhoben und von dannen flögen. Und lagen da nicht eine Jacke und eine Zeitung auf dem Stuhl, die zu einem Menschen gehörten?
Doch sein Magen interessierte sich nicht für kleinliche Bedenken und schickte ihn vorwärts. Vor dem Tisch zögerte er, aber nur kurz,
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